Lange galt der Onlinejournalismus als Hoffnungsträger der Medienbranche: Doch die übersteigerten Erwartungen konnten bisher kaum erfüllt werden, vor allem nicht, was die Onlinedienste der grossen Medien betreffen, wie eine vom Bundesamt für Kommunikation finanzierten Studie des Instituts für Angewandte Medienwissenschaft (IAM) der Zürcher Hochschule Winterthur ZHW zeigte. «Ein ganz anders Bild zeigt sich jedoch bei den eigenständigen Anbietern wie es der Klein Report ist: Hier wird recherchiert, herrscht ein journalistisches Verständnis, und hier arbeiten meist erfahrene Journalisten. Solche Dienste heben sich klar von den Onlinediensten der Tageszeitungen ab, die oftmals als Lockvogel für das Printprodukt hinhalten müssen», erklärte der Autor der Studie, Vinzenz Wyss, am Mittwoch dem Klein Report. «Es hat mir Eindruck gemacht, was der Klein Report leistet.»
In seiner 180-seitigen Studie in der die eigenständigen Online-Anbieter nicht untersucht wurden - kommt Wyss zum Schluss, dass sich der Onlinejournalismus der Medienverlage sich nicht vom traditionellen Journalismus emanzipiert hat und ein so genannter «Copy-Paste-Journalismus» geblieben sei. Für die Studie befragte Wyss 29 Redaktoren von elf Deutschschweizer Onlineredaktionen - darunter Ableger der grossen Tageszeitungen sowie Radio, Fernsehen und eigenständige Vollprogramme wie Swissinfo. Die Bilanz ist ernüchternd: Die Befragten verbringen zwar die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit journalistischen Tätigkeiten. Darunter verstehen sie aber weniger eigenständige Recherche als vielmehr das Redigieren von Fremdtexten. Der bei der Befragung gefallene Begriff des «Copy-Paste-Journalismus» sei bezeichnend. Wyss stellte denn auch eine «Deprofessionalisierung» des Onlinejournalismus fest: Es würden vor allem junge Menschen mit wenig Erfahrung als billige Arbeitskräfte angestellt und schnell verheizt. «Die Produktionsbedingungen sind so schlecht, dass keine Professionalisierung möglich ist», sagte er auf Anfrage der sda.
Das Potenzial des Onlinejournalismus werde nicht ausgeschöpft. Die Aufstockung der Redaktionen allein sei aber nicht die Lösung, sagte Wyss. Die Redaktionen bräuchten bessere Produktionsabläufe, mehr Kompetenzen und Wissen. Interaktivität müsste Abläufe zulassen, die in der Branche nicht üblich sind, die totale Offenheit in online-Foren etwa. Dabei aber riskiere eine Redaktion Normen-Verstösse, zum Beispiel wenn es um das Thema Rechtsextremismus gehe. Das Wissen der Zeitungsredaktoren müsste dem Online-Medium häufiger zugänglich gemacht werden. Der Online-Journalismus benötige eigene Qualitätsstandards und Regeln. Total eigenständige und unabhängige Onlineredaktionen sei laut Wyss eine mögliche Lösung.
Mittwoch
05.05.2004