Interessengruppen agieren heute stärker mithilfe von Medienarbeit. Aber sie sind dennoch viel weniger medienabhängig als Parteien. An einer wissenschaftlichen Tagung am Freitag und Samstag in Zürich stand zur Debatte, wie die Verbände kommunizieren und wie über sie berichtet wird. Roger Blum fasst die Erkenntnisse für den Klein Report zusammen.
Interessengruppen wie die Verbände der Bauern, der Arbeitnehmer, der Industrie, der Banken oder des Gewerbes waren früher vor allem hinter den Kulissen aktiv. Sie schickten Vertreter in Expertenkommissionen, nahmen an Vernehmlassungen teil, sprachen bei Ministern vor und seiften Parlamentarier ein. Sie lobbyierten. Allerdings fand ein Teil ihrer Aktivitäten immer auch in der Öffentlichkeit statt: Sie demonstrierten, publizierten, schalteten Inserate, hängten Plakate aus. Inzwischen kombinieren sie die Tätigkeit hinter und vor den Kulissen stärker. Das zeigte eine Tagung von Kommunikationswissenschaftlern und Politologen in Zürich, die sich mit den intermediären Akteuren befasste, zu denen auch die Interessengruppen gehören.
Mit wem kommunizieren die Verbände? Und welche Mittel setzen sie ein? Dieser Frage gingen Professor Patrick Donges von der Universität Greifswald sowie Erik Jentges und Matthias Brändli von der Universität Zürich nach. Sie untersuchten die Kommunikation von 5422 Verbänden in Deutschland und von 2475 Verbänden in der Schweiz. Die Adressaten ihrer Kommunikation sind vor allem die eigenen Mitglieder, die Regierung und die Medien, etwas weniger die anderen Verbände und deutlich weniger die Bürger und die Wissenschaft.
Allerdings spielen die Fachmedien eine grosse Rolle. Interessant ist, dass die Verbände je nach Adressat unterschiedliche Medien wählen. So erreichen sie beispielsweise die Mitglieder hauptsächlich über Versammlungen und Direktkontakte. Trotz Internet bleibt die interpersonale Kommunikation, also der mündliche Kontakt, auf hohem Niveau bedeutsam.
Während die Parteien alle stark mediatisiert sind, gilt das bei den Verbänden nur für jene, die gross sind, im politischen Wettbewerb stehen und Themenbereiche aus Politik und Umwelt bearbeiten.
Ob die Verbände in den Medien regelmässig vorkommen, analysierte Franziska Oehmer von der Universität Zürich. Sie überprüfte dies in drei überregionalen Zeitungen Deutschlands in einem Zeitraum von zwei Jahren für 2083 Verbände. Ihr Befund war, dass nur 34 Prozent der Verbände Gegenstand von Medienberichterstattung waren. Dabei kamen Unterschiede zum Vorschein: Die «Süddeutsche Zeitung» und die «Welt» berichteten deutlich mehr als die «tageszeitung (taz)» über Wirtschaftsverbände, die «taz» umgekehrt deutlich mehr als die beiden andern über Verbände in den Bereichen Politik, Umwelt und Soziales.
Einen Wandel der Verbandskommunikation stellte Alexandra Seibt von der Universität Düsseldorf fest. Sie untersuchte das Public-Affairs-Management jener Verbände, die in die Auseinandersetzung um das «Erneuerbare Energien-Gesetz» in Deutschland eingebunden waren. Sie fand heraus, dass diese heute einen mediatisierten Lobbyismus betreiben. Das heisst, sie harmonisieren und synchronisieren Public Relations und Lobbying, betreiben neben dem eigentlichen Lobbying zunehmend auch Öffentlichkeitsarbeit. Je mehr die Verbände dieses neue Public-Affairs-Management anwenden, umso erfolgreicher sind sie.
Joachim Preusse und Anne Schulze von der Universität Münster widmeten sich dem Problem, wie Bürgerinnen und Bürger die Angebote von zivilgesellschaftlichen Interessengruppen (NGOs) in den Social Media nutzen. Ihr Forschungsergebnis war, dass die Bürger diese Angebote als wichtig einstufen, gleich hinter den Websites und vor den Zeitungen. Aber sie nutzen sie vor allem aus einem Informationsmotiv heraus, nicht aus einem Austauschmotiv. Die Dialogangebote hingegen nutzen vor allem solchen Personen, die nicht in der betreffenden NGO engagiert sind.