Seit Mittwoch beschäftigt sich das Kreisgericht Bern-Laupen mit der Frage, ob die Entlassung von Reto Hartmann als Chef des Konsumgüterkonzerns Valora rechtens war oder nicht. Der ehemalige CEO der Valora möchte Genugtuung für die fristlose Entlassung vom Juni 2003. Valora hatte die Trennung von ihm unter anderem mit «gravierenden Kompetenzüberschreitungen» begründet, weil Hartmann mit der brasilianischen Investorengruppe GPI Verhandlungen über einen Management Buyout (MBO) weitergeführt habe, obwohl ihm dies von Peter Küpfer, VR-Präsident der Valora, untersagt worden sei. Die Vorwürfe und die mit der fristlosen Entlassung verbundenen finanziellen und gesellschaftlichen Nachteile will sich Hartmann aber nicht gefallen lassen. Die sofortige Absetzung war aus seiner Sicht nicht gerechtfertigt. Er verlangt die Annullierung der fristlosen Kündigung und damit die Umwandlung in eine ordentliche Kündigung. Hartmann verlangt auch nicht bezahlte Bonus-Anteile, die ihm aus dem Arbeitsverhältnis für das Jahr 2003 noch zustehen sollen sowie eine Änderung des Arbeitszeugnisses.
Béatrice Pfister, Hartmanns Anwältin, erklärte laut einem Bericht der Nachrichtenagentur sda vor Gericht, Valora setze alles daran «einen Grund für die fristlose Entlassung zu konstruieren» und stelle die Ereignisse im Frühjahr 2003 als «konspirativen Akt» dar. Sie wies auf «viele Ungereimtheiten in der Argumentation Valoras» hin. Um diese zu entkräften, will sie mindestens zehn neue Zeugen vorladen. Sie forderte ausserdem zu verschiedenen Einzelfragen Expertengutachten. Reto Hartmann betonte vor Gericht, dass während der gesamten Dauer der Gespräche mit der GPI der Verwaltungsratspräsident immer über die wichtigsten Schritte informiert gewesen sei: «Ich schliesse daraus, dass es sich um einen Konflikt handelt, der wegen Neid und Missgunst gegenüber einem profilierten Konzernchef ausgelöst wurde.»
Georg Friedli, der Anwalt von Valora, wies die Klage vollumfänglich zurück: «Es handelt sich nicht, wie der Kläger glaubhaft machen will, um einen Konflikt zwischen zwei Persönlichkeiten.» Reto Hartmann habe gravierende Pflichtverletzungen begangen. Angesichts der Fülle von neuen Zeugen und Gutachteranträgen kann eine lange Prozessdauer nicht ausgeschlossen werden.
Mittwoch
22.09.2004