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Donnerstag
30.09.2004

Die Kandidaten für die US-Präsidentschaft kommen um etwas nicht herum: um die Talk- und Comedyshows der TV-Sender. Daneben liefert aber gerade US-Präsident George W. Bush ständig unfreiwillig neue Munition für weitere Lachsalven. «Unsere Feinde denken ständig daran, wie sie unserem Land schaden können, und daran denken auch wir ständig», sagte er kürzlich mal wieder ganz arglos. Inzwischen macht Bush auch Witze über sich selbst. Er kämpfe zuweilen mit der englischen Sprache, gestand er. «Aber als Arnold Schwarzenegger anfing, mich zu korrigieren, wusste ich: Ich habe ein Problem.» Das eigenwillige Englisch des gebürtigen Österreichers ist in den USA berüchtigt.

Humor und Unterhaltung haben im Wahlkampf 2004 ein Gewicht wie nie zuvor. Das Ringen um die Gefühle ist eine Reaktion auf verunsicherte Wähler, die angesichts der wachsenden Informationsflut immer weniger wissen und verstehen, sich immer weniger für Politik interessieren. Eine Untersuchung des Pew-Instituts ergab, dass sich immer weniger US-Bürger in den klassischen Medien informieren. Am besten schneiden noch Sender wie Fox News ab, deren Programme oft wie ein sportlicher Wettkampf (zwischen Politikern oder Journalisten) inszeniert sind. Andere Gewinner sind Unterhaltungssendungen. Über 21% der unter 30-Jährigen gab an, politische Informationen aus Comedy-Sendungen zu beziehen.

Um sympathisch zu wirken und die unpolitischen Wähler zu erreichen, stürmen die Politiker in die Fernseh-Talkshows. Senator John Edwards hatte seine Bewerbung um die demokratische Präsidentschaftskandidatur in der Comedy-Sendung «Daily Show» bekannt gegeben. Schwarzenegger kündigte bei Jay Leno (NBC) an, um das Amt des Gouverneurs von Kalifornien kämpfen zu wollen. Talkshow-Legende David Lettermann hatte schon 2000 zu Bush gesagt: «Vergessen Sie nicht, der Weg nach Washington führt über mich.»

Dem Bush-Herausforderer John Kerry, der als eher hölzern und distanziert gilt, liegt das Leichte nicht. Also ging er mutig in die populäre «Daily Show». Als sein bester Gag gilt sein Bekenntnis über die merkwürdigste Wahlkampferfahrung: «Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele Leute sich einen unbedingt auf der Toilette vorstellen möchten...» Aber Kerry stellte sich despektierlichen Fragen und wirkte etwas weniger entrückt und arrogant. Kerrys Glück ist, dass er sehr begabte Helfer auf dem Gebiet des witzig-ironischen Wahlkampfs hat. Zu ihnen zählt Filmemacher Michael Moore, der in seinem Film «Fahrenheit 9/11» Bush der Lächerlichkeit preisgibt.

Paradoxerweise hat der Kampf um die Sympathien der Wähler dazu geführt, dass 2004 nach Ansicht vieler Kommentatoren der schmutzigste Wahlkampf der US-Geschichte droht. Denn die Kehrseite dieser Emotionalisierung ist der Versuch beider Seiten, den Gegenkandidaten menschlich so mies wie nur möglich darzustellen. Die Kandidaten sehen sich mit einer Flut von Diffamierungen konfrontiert: Koks-Schnupfer, Drückeberger und Lügner sind nur einige der Anwürfe, mit denen Bush konfrontiert ist. Kerry wird als Vaterlandsverräter, Folterer, Simulant und Opportunist hingestellt. Witzig finden das beide nicht.