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Freitag
31.10.2008

Medienminister Moritz Leuenberger hat mit seinen Konzessionsentscheidungen die Landschaft der privaten Radio- und Fernsehsender vor allem in den Regionen Zürich und Ostschweiz durcheinandergewirbelt. Die grossen Verlagshäuser gehören tendenziell zu den Verlierern, die unabhängigen Anbieter triumphieren.

Der Radio-Unternehmer Giuseppe Scaglione hat im Sendegebiet Zürich eine Radio-Konzession erhalten. Bei der Music First Network AG sind die jungen Radio-Macher aus dem Häuschen: «Die Freude ist unbeschreiblich gross. Wir haben so lange und so hart für unsere Radio-Träume gekämpft und den Glauben an den Erfolg nie verloren. Wir werden jetzt endlich auch auf UKW mit zwei verschiedenen Programmen (Jugendradio und RMC Züri) allen zeigen können, mit wie viel Leidenschaft und Freude wir Radio machen. Der heutige Tag wird in die Geschichte eingehen», sagte der Radio-Macher gegenüber dem Klein Report am Freitagmorgen voller Stolz.

Auch bei Radio 24, dem Privatsender des Zürcher Tamedia-Konzerns, herrscht Freude, da es auf dem Platz Zürich zwischen Energy Zürich und Radio 24 zu einem Stichentscheid kommen musste. «Das Team von Radio 24 freut sich über die neue Konzession», teilte der Radiosender am Freitagmorgen mit. Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) hat dem Stadtzürcher Sender «eine neue UKW-Konzession bis 2019 erteilt», heisst es.

Hingegen nimmt die Tamedia den Entscheid, ihrem TV-Lokalsender TeleZüri keine Konzession zu erteilen, «mit Unverständnis zur Kenntnis». Man prüfe «in den nächsten Wochen sowohl eine Anfechtung des Entscheides beim Bundesverwaltungsgericht in Bern als auch die Chancen eines Sendebetriebes ohne Konzession».

Im Hinblick auf einen möglichen konzessionslosen Sendebetrieb führte TeleZüri bereits seit Frühling 2008 Gespräche mit den Schweizer Kabelnetzbetreibern in der Deutschschweiz. «Um die bisherige Programmleistung ohne Konzession und trotz eines gebührenfinanzierten Wettbewerbers mit garantiertem Kabelnetzzugang aufrechtzuerhalten, wären ein grösseres Sendegebiet sowie ein bevorzugter Sendeplatz im Kabelnetz Voraussetzung», schreibt das Medienunternehmen dazu.

Besser ist die Stimmung naturgemäss bei Günter Heuberger, Geschäftsführer von Tele Top. Durch die Konzessionierung eines von einem der grossen Verlagshäuser unabhängigen Bewerbers werde der gewünschte Wettbewerb im Grossraum Zürich – Nordostschweiz ermöglicht, schreibt er in einer Mitteilung vom Freitag.

In den letzten zwei Jahren sei die gesamte Zeitungslandschaft im Raum Zürich-Ostschweiz durch Verkäufe und Fusionen zu einem Duopol Tamedia-NZZ/Tagblatt Medien reduziert worden. Tele Top werde versuchen, als unabhängige Kraft einen Ausgleich bei den elektronischen Medien zu erreichen.

Heuberger vermutet, dass beim Entscheid vor allem die langjährige Erfahrung von Radio Top mit Programmfenstern für die verschiedenen Kantone und der bisherige breite regionale Ansatz zum Tragen gekommen seien.

Das Sendegebiet von Tele Top wird neu den ganzen Kanton Zürich und wie bisher die beiden Kantone Thurgau und Schaffhausen sowie die Region Wil umfassen. Das sei mit 1'614’573 Mio. Einwohnern das mit Abstand wirtschaftlich stärkste Regionalfernsehgebiet der Schweiz. Der Sender erhält einen Gebührenanteil von 1'476’091 Franken pro Jahr, der je zur Hälfte für die Produktion der Informationsfenster für die Kantone Schaffhausen und Thurgau verwendet wird. Wegen der starken Wirtschaftskraft des Kantons Zürich brauche es hier für die Erfüllung des Leistungsauftrages keine Gebührenanteile.

«Im Programm wird Tele Top weiter in die regionale Berichterstattung investieren» sagte Heuberger weiter. Die neuen täglichen Informationsfenster für die Kantone Thurgau und Schaffhausen werden mit 13 Minuten länger sein als die vom Bakom geforderten 10 Minuten. Zeitgleich laufe ein Informationsfenster für den Kanton Zürich, das sich mit regionalen Themen innerhalb des Kantons befasse. «Vor diesen drei Informationsfenstern laufen zur vollen Stunde beginnend ab 18.00 Uhr die Top News, welche die überregionalen Themen aus dem Sendegebiet vertieft vermitteln.» Der bisher am Dienstag und Mittwoch gesendete «Top Talk» werde täglich ausgestrahlt und durch einen ebenfalls 30 Minuten dauernden «Talk am Sonntag» ergänzt.

Um den Ausbau des Programms und insbesondere die Informationsfenster betreiben zu können, werde Tele Top die Anzahl der Stellen mehr als verdoppeln, teilte Heuberger weiter mit. Das bisherige Studio in Frauenfeld werde beibehalten und als Studio für das Informationsfenster für den Kanton Thurgau betrieben. Erste Pläne für den Aufbau des neuen Hauptstudios von Tele Top im Kanton Zürich bestünden bereits. Für den Kanton Schaffhausen werde alleine oder in einer Partnerschaft der Aufbau eines weiteren Studios aufgenommen.

Logischer Kandidat für eine solche Partnerschaft wäre der Schaffhauser Fernsehsender ShF. Dieser hat mit TeleZüri einen Zusammenarbeitsvertrag, so dass die Existenz des Schaffhauser Fernsehens nur bei einer Neukonzession des Zürcher Senders gesichert gewesen wäre. Norbert Neiniger, Chefredaktor der Schaffhauser Nachrichten und Verwaltungsratspräsident von ShF, zeigte sich am Freitag gegenüber dem Klein Report kämpferisch: «Wir denken nicht daran, das Schaffhauser Fernsehen nach über 20 Jahren einfach sang- und klanglos untergehen zu lassen.» Noch sei offen, ob der Entscheid einer rechtlichen Überprüfung standhalte. Zu einer möglichen Kooperation mit Tele Top wollte sich Neininger nicht äussern.