Trotz UMTS dürfte es noch einige Jahre dauern, bis das breite Publikum am Handy fernsieht. Realistisch sind mit der 3. Mobilfunkgeneration lediglich kürzere Videosequenzen. Fürs richtige ambulante Fernseh-Handy fehlen noch Handys und Sendeantennen. Mit jahrelanger Verzögerung erreicht die einst hochgejubelte, dann als Milliardengrab verschrieene 3. Mobilfunkgeneration endlich auch die hiesigen Privatanwender: Als erster Schweizer Telecomkonzern will die Swisscom laut Mobilfunk-Chef Carsten Schloter UMTS-Angebote aufs Weihnachtsgeschäft lancieren.
Dies müsste einen Start von UMTS bis Mitte November bedeuten, wenn der «Blaue Riese» die Periode des Jahres voll ausschöpfen will, in der die Kassen des Einzelhandels am lautesten klingeln. Von Orange und Sunrise sind noch keine UMTS-Starttermine bekannt. Vorgeschrieben durch die Lizenz ist eine Abdeckung von 50% der Schweizer Bevölkerung per Ende Jahr. Die Auflagen würden eingehalten, sagen die Sprecher beider Mobilfunkanbieter.
Es ist vor allem eine Frage der Antennen und damit der Kosten, ob und wie UMTS in Zukunft genutzt wird. Statt der für die Zweiweg-Kommunikation ausgelegten UMTS-Antennen müssen fürs UMTS-Fernsehen richtige TV-Sendemasten her. Digitales Fernsehen, welches normale TV-Geräte «aus der Luft» mit einer Dach- oder Zimmerantenne empfangen können (DVB-T), gibt es in der Schweiz derzeit erst im Engadin, im Tessin und im Wallis. Im Engadin und im Tessin wurden analoge, terrestrisch verbreitete SRG-Programme aus anderen Landesteilen schon abgeschaltet (beispielsweise TSR2).
Ziel des Bundesrats ist es, analoges TV bis 2015 gänzlich durch digitales zu ersetzen. Die 12 Sendemasten im Südkanton senden derzeit Bilder in einer Qualität, die für Fernsehgeräte in Wohnzimmern gemacht ist. Für die heutigen Handys sind die Bilder rund 20-mal «zu fett». Zudem sind die derzeit angebotenen 4 SRG-Kanäle viel zu wenig, um die Handykunden zu begeistern. Die Auflösung müsste reduziert werden. Dadurch könnten statt 4 Programme pro Frequenz 30 bis 60 Programme für Handys ausgestrahlt werden. Auch an anderer Stelle bleibt noch viel zu tun: So müssten die Inhaltsanbieter mitziehen, die sich vor Raubkopierern fürchten, sagt Swisscom-Broadcast-Chef Giovanni Conti. Denn die Frage der Verschlüsselung sei noch nicht gelöst, und leistungsfähige Endgeräte fehlten.
Im nächsten Jahr wolle die Swisscom einen Pilotversuch mit digitalem TV für Handys (DVB-H) starten, sagt Conti. Dann werde man sehen, ob alle Mitspieler wie Inhaltsanbieter oder Endgerätehersteller mitzögen. Entscheidend dürfte letztlich aber sein, wie tief die Kunden für ein mobiles TV-Angebot ins Portemonnaie greifen wollen. Denn es geht um viel Geld: Alleine die Swisscom müsste ein paar hundert Millionen Franken investieren, um in der Schweiz flächendeckend DVB-H ausstrahlen zu können. Frühestens in drei Jahren sei mit einem Start des Massenmarkts zu rechnen, sagt Conti.
Montag
13.09.2004