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Samstag
19.11.2005

Das autoritäre Regime von Ben Ali in Tunesien hat während des Uno-Gipfels zur Informationsgesellschaft der Welt in der Hauptstadt Tunis seinen wahren Charakter gezeigt. Das glaubt die tunesische Opposition, die sich durch die Veranstaltung gestärkt fühlt, wie Klein-Report-Berichterstatter Roman Berger schreibt. «Das war die grösste Unterstützung, die wir bis heute erfahren haben.» Mit solchen Worten bewertet Omar Mesteri die Auswirkungen des Uno- Weltgipfels zur Informationsgesellschaft (WSIS) aus der Sicht eines führenden tunesischen Menschenrechtsaktivisten. «Wir haben heute weniger Angst und fühlen uns freier», stellt Mesteri fest, der in Hamburg im Exil lebt und unter dem «Schutz» des WSIS einige Tage nach Tunis zurückgekehrt ist.

Ein von der internationalen Zivilgesellschaft zusammen mit tunesischen Menschenrechtsorganisationen geplanter «Bürger-Gipfel» musste unter massivem Druck der Regierung abgesagt werden. Dennoch fanden mehrere Treffen ausserhalb des offiziellen Gipfels statt. Sie wurden von Polizeikräften wohl aufmerksam beobachtet, konnten aber wegen der Anwesenheit zahlreicher ausländischer Diplomaten nicht gestört werden.

Mehrere hundert Personen versammelten sich am Freitag in einem Haus im Zentrum von Tunis, wo sieben Repräsentanten der demokratischen Opposition Tunesiens nach 32 Tagen den Abbruch ihres Hungerstreiks bekannt gaben. Die Protestaktion, die gezielt auf den WSIS-Gipfel begonnen worden war, sollte einen Impuls für eine breiter abgestützte Oppositionsbewegung geben. Dennoch macht sich die Opposition keine Illusion: «Das Regime ist stark, wir sind schwach und schlecht organisiert», meint Omar Mesteri. Sobald die internationalen Beobachter und Journalisten das Land verlassen haben werden, so wird befürchtet, könnte die Regierung sich an ihren Kritikern rächen.

Die Ereignisse um den Gipfel haben vielen westlichen Regierungen die Augen geöffnet, welche die kritischen Berichte von Menschenrechtsorganisationen zur Lage in Tunesien lange nicht ernst genommen haben. Die deutliche Stellungsnahme von Bundespräsident Samuel Schmid hat innerhalb und ausserhalb des WSIS ein starkes Echo ausgelöst.

Für Tunesiens Regierung wird entscheidend sein, welche Konsequenzen die EU ziehen wird, die sehr zurückhaltend reagiert hat. Vertreter des Europaparlaments fordern jetzt die EU-Kommission auf, ihre langjährige Partnerschaft mit Tunesien zu überprüfen. Für Brüssels Beziehungen zu Tunis ausschlaggebend ist allerdings Frankreich. Paris betrachtet die ehemalige Kolonie bis heute als ihr «Protektorat». Und ohne die Einwilligung von Frankreich wird die EU gegen Tunis keine Sanktionen ergreifen.

Eine ganz andere Bilanz muss die Uno ziehen, die einen Gipfel zur Informationsgesellschaft in einem Land abgehalten hat, in dem es keine Informationsfreiheit gibt und die Menschenrechte missachtet werden. Aus einem Uno-Gipfel in Tunis ist ein «Gipfel über Tunis» geworden. - Mehr dazu: Weltinformationsgipfel Tunis: Wieder Eklat um Journalisten-Behandlung