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Sonntag
23.10.2005

Der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk ist in Frankfurt am Main mit dem diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Pamuk nahm den mit 25 000 Euro dotierten Preis am Sonntag bei einem Festakt in der Frankfurter Paulskirche entgegen. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels begründete die Auszeichnung des 53-Jährigen damit, dass er «wie kein anderer Dichter unserer Zeit den historischen Spuren des Westens im Osten und des Ostens im Westen nachgeht». Der Schriftsteller habe «ein Werk geschaffen, in dem Europa und die muslimische Türkei zusammenfinden». Die Preisverleihung ist traditioneller Höhepunkt der Frankfurter Buchmessse, die am Sonntag endet. Der Intendant der Berliner Festspiele, Joachim Sartorius, sagte in seiner Laudatio, zwar beharre Pamuk auf dem «Elfenbeinturm» der Literatur. Dennoch behandle er in seinen Romanen hochbrisante politische Themen.

Bei der Entgegennahme des Preises forderte Pamuk, dass Europa das «Friedensangebot» der Türkei nicht ausschlagen dürfe. Wenn eine Türkenfeindlichkeit in Europa geschürt werde, «führt (dies) leider dazu, dass sich in der Türkei ein europafeindlicher, dumpfer Nationalismus entwickelt». Die Türkei müsse in Europa einen Platz haben, «wenn Europa vom Geist der Aufklärung, der Gleichheit und der Demokratie beseelt ist», forderte er bei der Preisverleihung, die als traditioneller Höhepunkt der Frankfurter Buchmessse gilt, die am Sonntag endet.

Pamuk steht in der Türkei ein Strafprozess bevor, der Mitte Dezember beginnen soll. Die Anklage wirft ihm «öffentliche Herabsetzung des Türkentums» vor und fordert drei Jahre Haft für den Autor. Pamuk hatte im Februar einer Schweizer Zeitung gesagt, in der Türkei seien 30 000 Kurden und 1 Million Armenier getötet worden, doch niemand ausser ihm wage es, darüber zu sprechen. Bei den zwischen 1915 und 1917 verübten Massakern und bei Todesmärschen starben zwischen 300 000 und 1,5 Millionen Armenier in Anatolien. Mehrere Länder stufen die Verbrechen als Völkermord ein. Aus Sicht der Türkei handelte es sich bei den Ereignissen dagegen um die tragischen Folgen einer Zwangsumsiedlung, die wegen des Krieges erforderlich gewesen sei.

Der in Istanbul geborene Pamuk wuchs in einer gutbürgerlichen Familie auf und studierte Architektur sowie Journalismus. Er gilt heute als einer der bedeutendsten Prosaschriftsteller der jüngeren türkischen Generationen. Seine Werke wurden bislang in 34 Sprachen übersetzt und in mehr als 100 Ländern veröffentlicht. Auf Deutsch sind unter anderem seine Bücher «Die weisse Festung», «Das schwarze Buch», «Das neue Leben» und «Rot ist mein Name» erschienen. Von der Kritik hoch gelobt wurde zuletzt sein Roman «Schnee». Die New York Times feierte das Werk als bestes ausländisches Buch 2004. Pamuk hat eine Tochter und lebt in Istanbul. Siehe auch: Türkischer Autor Orhan Pamuk erhält Ricarda-Huch-Preis