Der erste Literaturnobelpreis für einen türkischen Schriftsteller hat in den Medien der Türkei ein zwiespältiges Echo ausgelöst. Unter Schlagzeilen wie «Danke Orhan Pamuk» oder «Unser ganzer Stolz» mischten sich bissige Kommentare. Diese zielten vor allem auf Pamuks umstrittene Äusserungen über den Massenmord an den Armeniern im Osmanischen Reich ab. «Hat er den Nobelpreis wegen seiner Feder oder wegen seiner Worte erhalten?», fragte die Zeitung «Vatan» (Vaterland). Der Nobelpreis bringe grosse Verantwortung mit sich, meinte das Massenblatt «Hürriyet» auf dem Hintergrund des in Frankreich verabschiedeten Gesetzes, die Leugnung eines Völkermords an den Armeniern unter Strafe zu stellen. «Er muss hingehen und sagen, in der Türkei bin ich nicht ins Gefängnis geworfen worden, obwohl ich gesagt habe, dass eine Million Armenier umgebracht wurden.»
«Viele Menschen werden jetzt die Romane eines Autors lesen, den sie zuvor nie gelesen haben. Sie werden die Orte, wo wir leben, unsere kulturellen Werte kennenlernen. Das sollten wir zu schätzen wissen. Die Türkei wird künftig auch als das Land Orhan Pamuks angesehen werden», freute sich die liberale Zeitung «Radikal». «Alle Welt wird noch einmal einen aufmerksameren Blick auf die Türkei, die türkische Literatur und Orhan Pamuks Stadt Istanbul werfen. Pamuk ist eine Ehre für unsere Sprache, unsere Literatur und unser Land.»
Pure Ablehnung schlug dem Nobelpreisträger dagegen aus dem Massenblatt «Sabah» entgegen: «Wirklich erfreut können wir nicht sein. Denn wir können Pamuk nicht als einen von uns ansehen. Wir können in Orhan Pamuk keinen starken und aufrechten Homo erectus erkennen. Wir sehen ihn als jemanden an, der nicht zu seinen Sprüchen steht, der ins Lavieren kommt, wenn er in die Ecke gedrängt wird, der unfähig ist, einen intellektuellen Standpunkt mutig zu vertreten.» - Siehe auch: Literaturnobelpreis geht an den türkischen Autor Orhan Pamuk
Freitag
13.10.2006