Mit grossem Sicherheitsaufgebot und unter internationaler Beobachtung hat am Dienstag in Istanbul ein Prozess gegen fünf türkische Journalisten der liberalen Tageszeitung «Radikal» und des Massenblatts «Millyet» begonnen. Nach Anhörung der Angeklagten wurde das Verfahren auf den 11. April vertagt. Sie müssen sich wegen ihres Engagements für eine Konferenz zum Völkermord an den Armeniern rechtfertigen. Den Angeklagten wird der Versuch der Beeinflussung sowie Beleidigung der Justiz vorgeworfen. Sie hatten in Artikeln ein Urteil vom September 2005 kritisiert, das die Organisation einer Konferenz über die Massaker an Armeniern zwischen 1915 und 1917 in Anatolien verboten hatte.
Das Verfahren gilt als Prüfstein für die Bereitschaft Ankaras, die Meinungsfreiheit zu respektieren. Ein Vertreter der Schriftstellervereinigung Pen International verurteilte das Verfahren. Wenn Gerichtsentscheidungen nicht kritisiert werden könnten, sei die Lage in der Türkei vergleichbar mit der in der ehemaligen UdSSR, sagte Eugene Schoulgin, der dem Prozess ebenfalls beiwohnte. Die Türkei liess erst in jüngster Zeit eine Diskussion über die Massaker gegen Armenier im früheren osmanischen Reich zu. Die Einstufung als Völkermord, wie sie international vorgenommen wird, lehnt Ankara jedoch kategorisch ab. Die Konferenz, um die es in dem Verfahren geht, hatte nach öffentlichem Druck mit Unterstützung der türkischen Regierung mit einem Tag Verspätung schliesslich doch stattfinden können.
Dienstag
07.02.2006