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Sonntag
04.06.2017

Medien / Publizistik

Wenn Journalistinnen und Journalisten tief in der Titel-Kiste wühlen, dann entspricht das Resultat am Ende hin und wieder nicht ganz der Wahrheit. Das ist in Ordnung, findet der Presserat – aber nur, wenn unmittelbar danach eine Relativierung folgt.

«Ein Mandat zu viel für den algerischen Ex-Diplomaten» titelte die «Tribune de Genève» am 10. Oktober 2016 und ergänzte im Untertitel: «Rat für Menschenrechte – Idriss Jazairy vereint die Funktionen eines Sonderberichterstatters und eines Exekutivdirektors einer NGO. Eine noch nie dagewesene Situation.»

Es folgten im Text weitere Ausführungen über einen potenziellen Interessenkonflikt, bevor erst am Ende des Artikels der Ex-Diplomat selber Stellung beziehen konnte.

Wie Idriss Jazairy gegenüber dem Presserat ausführte, sei seine Doppelfunktion aber «gar nicht einmalig». Er habe bereits dem Chefredaktor der «Tribune de Genève» erklärt, dass vor ihm mindestens zehn UN-Sonderberichterstatter gleichzeitig als Exekutivdirektor einer NGO arbeiteten.

Die Ausführungen im Titel stimmten demzufolge nicht. Zwar wiege dieser Fehler «nicht sehr schwer», wie der Presserat zugibt. Problematisch sei allerdings, dass der Sachverhalt dieser scheinbar «einmaligen Konstellation» den einzigen Inhalt des Titels bildete.

Denn daraus schliesst das Gremium, dass die Zeitung selber diesem Inhalt «eine gewisse Relevanz» zuschrieb. Die Relativierung habe unter diesem Gesichtspunkt nicht genügt, weshalb der Presserat eine Verletzung seines Journalisten-Kodexes feststellte.