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Sonntag
10.10.2010

Er trieb sein Spiel mit den Printmedien in den Neunzigerjahren - frech, forsch und unverfroren. Sein Name: Tom Kummer, 1963 in Bern geboren; seine Spezialität: dreiste Fälschungen; sein Triumph: Alle fielen auf seine fiktiven Reportagen und Interviews aus Hollywood rein - von der «Süddeutschen Zeitung» (SZ) über den «Spiegel» bis zur NZZ oder dem «Tages-Anzeiger» («Tagi-Magazin»).

Nachdem seine journalistischen Erfindungen aufgeflogen waren, wurde Tom Kummer zum «gebrannten Kind» des Journalismus, zum Betrüger der Branche. Er hatte mit seiner «Fabulierkunst» einen Medienskandal ausgelöst, der einigen verantwortlichen Journalisten in den Neunzigerjahren den Job kostete. Kummer lebt seit Jahren in Los Angeles und verdient seinen Unterhalt als Paddle-Tennis-Lehrer (eine US-Art des Fitness-Tennis).

Nun hat der Schweizer Miklós Gimes den Versuch unternommen, dem Fälscher Kummer und seinen getürkten Star-Interviews (Pamela Anderson, Brad Pitt, Mike Tyson u.a.m.) auf die Schliche zu kommen. Das gelingt ihm im Film «Bad Boy Kummer» nur teilweise, insgesamt scheitert Dokumentarfilmer Gimez am Phänomen Kummer. Er kommt ihm nahe, aber nicht bei.

Die Gestalt bleibt zwielichtig: Kummer wähnt sich als Opfer, zeigt auch heute noch keine Spur von Einsicht oder Reue. Zahlreiche Zeitgenossen und Kollegen wie René Bortolani oder Andreas Lebert kommen zu Wort. Sie beschreiben ihre Begegnungen mit ihm, ihre Eindrücke, sie kritisieren, lamentieren, analysieren - nicht ohne eine gewisse Be- und Verwunderung. Ehemalige Vorgesetzte oder Beteiligte wie Ulf Poschardt («SZ-Magazin»), Christian Kämmerling («SZ-Magazin») oder Roger Köppel («Tages-Anzeiger-Magazin», heute «Weltwoche») indes kniffen. Sie waren nicht bereit, vor die Kamera zu treten.

Auch Kummer sei zu sehr als Personal Trainer beschäftigt, um in die Schweiz zu kommen, teilte Selina Willemse vom Filmverleih Columbus Film den Journalisten bei der Pressevisionierung mit. Feigheit vor dem «Feind» oder überhaupt Misstrauen gegenüber Interviews (aus eigener Erfahrung)? Klein Report-Mitarbeiter Rolf Breiner wollte es genau wissen und fragte beim «bösen Buben Kummer» an, warum er nicht zum Schweizer Filmstart (21. Oktober) erscheine. No answer aus Kalifornien.