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Donnerstag
04.06.2009

Die Krise bietet auch für den Schweizer Zeitungsmarkt noch Chancen, sagt Thomas Borer. Doch die einzelnen Titel müssten innovativ sein und sich von der Konkurrenz abgrenzen. Erst in vier Jahren würden die Medien den wirtschaftlichen Aufschwung spüren, glaubt der heutige Unternehmensberater und Renova-Verwaltungsrat. Borer war 1996 Leiter der Taskforce Schweiz - Zweiter Weltkrieg und wurde danach Botschafter in Berlin. 2002 musste er im Zusammenhang mit einer Kampagne durch den «Blick» zurücktreten. Ein Gespräch mit Thomas Borer am Rande des «Südostschweiz»-Forums, wo er als Referent eingeladen war.

Herr Borer, Sie sind eines der bekanntesten Medienopfer der Schweiz. Hegen Sie keinen Groll gegen die Medien?
Nein, man muss innerhalb der Journalisten und der Medien unterscheiden lernen. Die Mehrzahl arbeitet seriös und professionell.

Wie ist Ihre Zusammenarbeit mit den Medien?
Professionell. Aber ich versuche, den Medien so oft wie möglich auszuweichen, was mir bei Ihnen nicht gelungen ist (lacht).

Wie sehen Sie die Chancen der Schweizer Medien? Droht uns ein Zeitungssterben wie es in den USA stattfindet?
Wegen der grossen Wirtschaftskrise wird die Medienbranche noch stärker unter Druck kommen. Sie wird rationalisieren und gleichzeitig noch innovativer werden müssen. Wir müssen die weitere Entwicklung eng verfolgen. Um journalistische Qualität erhalten zu können, brauchen Verleger die notwendigen Gelder. In einer direkten Demokratie brauchen wir Qualitätsmedien. Nur noch mit «Big Brother», «MusicStar» und Agenturmeldungen kann man keinen informierten Stimmbürger bilden.

In welcher Form könnten die Medien subventioniert werden?
Zum Beispiel durch vergünstigte Posttarife und verbesserte Rahmenbedingungen bei den Steuern und Abgaben.

Sie prognostizieren eine länger dauernde Wirtschaftskrise. Wann erholt sich die Medienbranche?
Bis die Wirtschaft wieder anzieht, dauert es aus meiner Sicht noch rund drei Jahre. Etwa ein Jahr später werden auch die Medien den Aufschwung spüren. In der Zwischenzeit werden sie sich neu erfinden müssen, um der Krise zu trotzen.

Wie könnten sich die Medien neu erfinden?
Die einzelnen Titel müssen sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren und sich so abgrenzen. Zum Beispiel mit Hintergrundrecherchen, die in den Gratiszeitungen nicht zu lesen sind.

Was sagen Sie zum Gratiszeitungs-Trend?
Das ist auf die erhöhte Mobilität zurückzuführen. Aber journalistisches Kurzfutter bedeutet nicht unbedingt schlechte Qualität. Es kommt darauf an, wie stark die Boulevardisierung voranschreitet. Immerhin stelle ich mit Freude fest, dass unsere Jugend dank den Gratiszeitungen überhaupt wieder Zeitung liest.