Der Schweizer Presserat hat die Praxis der Tessiner Medien kritisiert, bei schweren Strafprozessen die Namen der Angeklagten zu nennen. Es gebe keine Begründung für «eine Tessiner Sonderlösung». Der Presserat hatte sich mit zwei Beschwerden gegen den «Corriere del Ticino» befasst, der in einen Bericht vom Februar 2006 über einen Strafprozess zwei mutmassliche Serieneinbrecher namentlich genannt hatte. Das sei so üblich, rechtfertigte sich die Zeitung. Es könne nicht das entscheidende Kriterium für eine Namensnennung sein, dass zwei Angeklagte einem für schwere Straffälle zuständigen Gericht zugewiesen würden, schreibt jetzt der Presserat.
Die gesamtschweizerisch geltenden Richtlinien sähen grundsätzlich vor, dass auf Namensnennung verzichtet werde. Nur in begründeten Fällen von öffentlichem Interesse dürfe eine Ausnahme gemacht werden. Der Presserat betont in seiner Stellungnahme, dass nicht bloss der «Corriere del Ticino», sondern auch die übrigen Tessiner Medien bei der Berichterstattung über Prozesse vor den Assise Criminali die Namen nennen würden. Er sei bereit, dieses Problem mit den Chefredaktoren der grösseren Tessiner Medien zu klären.
In seiner Stellungnahme kritisiert der Presserat weiter, dass der «Corriere del Ticino» im Dezember 2006 den Namen eines im Kanton Waadt bei einem Autounfall verunglückten Tessiners nannte. Die Zeitung begründete dies damit, davon ausgegangen zu sein, dass mehrere Tage nach dem Unglück die Angehörigen benachrichtigt worden seien. Auch in diesem Fall sei die Namensnennung ungerechtfertigt gewesen, schreibt der Presserat. Aus der Tatsache, dass ein aus dem Verbreitungsgebiet eines Mediums stammender, andernorts lebender Bürger tödlich verunfallt sei, lasse sich kein Interesse für eine Namensnennung ableiten. - Die Stellungnahmen im Wortlaut: http://www.presserat.ch/23530.htm und http://www.presserat.ch/23520.htm
Dienstag
18.09.2007