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Donnerstag
14.07.2005

Produktewildwuchs und veraltete Arbeitsprozesse kosten die Marktführer im europäischen Telefonfestnetz jedes Jahr enorme Summen. Durch die Optimierung ihrer Geschäftsbereiche könnten die Konzerne bis 2007 rund 10 Mrd. Euro sparen. Dies geht aus einer Vergleichsstudie der 40 grössten Festnetzanbieter der Welt hervor, welche die Beratungsfirma Mercer am Donnerstag veröffentlicht hat. Einige westeuropäische Festnetzkonzerne würden ihren Privatkunden bis zu 1500 Produkte anbieten. Um diese Vielfalt beherrschen und verwalten zu können, sei ein Heer von Produktemanagern, Call-Center- und Verkaufsmitarbeitern, Controllern und Servicepersonal nötig. Dieser enorme finanzielle und organisatorische Aufwand sei grösstenteils Verschwendung.

«Denn im Durchschnitt erwirtschaften weniger als 20 Produkte bereits 90% des Festnetzumsatzes», schreibt Mercer. Dagegen würden 9 von 10 Produkten nahezu keinen Wert liefern. Weder Mitarbeiter noch Kunden würden sich in der verwirrenden Produkt- und Kombinationsvielfalt zurecht finden. Von den 1500 Produkten kenne ein Call-Center-Mitarbeiter lediglich rund 15, sagte Mercer-Telekomexperte Uli Prommer im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Durch einen Kahlschlag im Produktedschungel würde das Angebot nicht nur für die Kunden überschaubarer, sondern auch die Telekomkonzern könnten ihre Arbeitsprozesse straffen und vereinfachen. Auf diese Weise könnten die grossen Festnetzanbieter ihren Betriebsgewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und
Amortisationen (EBITDA) um durchschnittlich 11 Prozentpunkte verbessern.

Sparmöglichkeiten böte beispielsweise die vermehrte Verlagerung von Auftragsannahme und -abwicklung aufs Internet. 2004 seien erst 5% aller Verkäufe online abgewickelt worden. Und immer noch müsse die Hälfte aller Aufträge von Hand nachbearbeitet werden. Bei der Qualität des Kundenservices würden die amerikanischen Telekomunternehmen weitaus besser abschneiden als die europäischen, obwohl die Zahl der Techniker für 1 Mio. Telefonanschlüsse in Europa zwei- bis dreimal höher sei als in den USA. Der grössere Aufwand in Westeuropa habe aber keinen positiven Einfluss auf die Servicequalität. Im Gegenteil: «Die Anzahl der fehlerhaft installierten Festnetzanschlüse ist in Westeuropa 30% höher als in Nordamerika», schreibt Mercer.

Jede fünfte Auskunft von westeuropäischen Call-Centern sei falsch oder helfe dem Kunden nicht. Die Servicetechniker würden in einem Viertel aller Fälle ihre Termine nicht pünktlich einhalten oder erst gar nicht kommen. Der Umsatz im Festnetz in Europa werde bis 2007 auf 172 Mrd. Euro steigen, schreibt Mercer. Dies wären 3,6% mehr als im vergangenen Jahr (166 Mrd. Euro). Dabei wird der Wettbewerb für die ehemaligen Monopolisten wie Swisscom, Deutsche Telekom, France Télécom oder Telefonica härter. Die alternativen Anbieter wie Tele2, die österreichische UTA oder die französische Cegetel sowie Mobilfunkbetreiber dürften ihren Marktanteil von rund 23% im letzten Jahr auf gegen 30% im Jahre 2007 ausbauen, sagte Prommer.