Auf die Frage, was die Tamedia mit ihrer prall gefüllten Kriegskasse machen wolle, liess sich CEO Martin Kall an der Medienkonferenz vom Dienstag eine versteckte Kritik an Entscheiden seiner Vorgänger und seinen Fahrplan für die Zukunft entlocken. Es sei sicher, dass er sich keine Illusionen machen wolle, wie in der Vergangenheit, als das Verlagshaus einen verlustreichen Schritt ins Fernsehgeschäft machte und die Übung später abbrach. Vielmehr wolle er ins Kerngeschäft investieren, das heisst im Bereich Printmedien, Druck und Vertrieb wachsen. «Wer stellt in der heutigen Zeit schon 65 Journalisten ein?», fragte er rhetorisch zum beschlossenen Aufbau von vier zusätzlichen Regionalredaktionen neben derjenigen in Wädenswil für den Bezirk Horgen.
Ein wichtiges Projekt ist auch ein neues Anzeigensystem, das nicht nur die bisherige Software im Bereich der Zeitungen ersetzen, sondern bis spätestens Ende 2007 möglichst alle Tamedia-Titel umfassen soll (der Klein Report berichtete). Die Kosten der Publigroupe («Thurgauer Zeitung») seien «exorbitant hoch», kritisierte Martin Kall den grössten Inserateverkäufer der Schweiz und gab sich überzeugt: «Wir können deutlich günstiger akquirieren.» Auf mögliche Gratiszeitungs-Konkurrenten angesprochen gab er sich siegesgewiss: «Unsere Anzeigentarife, die Auflage und den Vertrieb müssen Sie erst noch schlagen. Mal sehen, wie lange ein Mitbewerber durchhalten kann.» Das Nachrichtenmagazin «Facts» bezeichnete er unumwunden als Baustelle: «Wir sind froh, dass wir den Lesermarkt stabilisieren konnten, aber das genügt noch nicht», sagte Kall. Die Verbesserung der «Facts»-Zahlen sei «DIE entscheidende Aufgabe im Zeitschriftenmarkt», formulierte er das Ziel für Chefredaktor Andreas Durisch und seine Truppe.
Die trotz guter allgemeiner Konjunktur schleppende Entwicklung im Printmedienbereich ist für CEO Martin Kall eine Herausforderung, der er sich offensichtlich gut gelaunt stellt: «Die schlechte Konjunktur fördert die Konsolidierung», unterstrich er. In dieser Situation, so machte er deutlich, ist es einfacher, auf Einkaufstour zu gehen, als wenn es den Übernahmefirmen gut geht. «Wir haben eine sehr lange Wunschliste», liess er sich dazu lediglich entlocken, «mehr kann und will ich dazu nicht sagen.» - Mehr dazu: Tamedia freut sich über «ein gutes Jahr», Tamedia steigert Konzernergebnis um 55,6% auf 79,7 Millionen Franken und Tamedia-Inseratenabteilung kündet Stellenabbau an
Dienstag
28.03.2006