Die Schweizer Werbung SW, Dachorganisation der kommerziellen Kommunikation, hat am Freitag in Appenzell ihr 80-jähriges Bestehen gefeiert. Gastreferent Bundesrat Hans-Rudolf Merz würdigte in seinem Referat die zunehmend schwieriger werdenden Rahmenbedingungen, welchen nicht zuletzt die Kommunikationsbranche ausgesetzt ist, und forderte als Gegenmassnahme gelebten Liberalismus, wie Piero Schäfer, der Kommunikationsbeauftragte der Schweizer Werbung SW, in einer Medienmitteilung vom Wochenende schreibt.
Pünktlich und in einer diskreten schwarzen Limousine sei Finanzminister Hans-Rudolf Merz vor die sonnenüberflutete Ziegelhütte in Appenzell gerollt, wo er vom Präsidenten der Schweizer Werbung SW, Carlo Schmid-Sutter, freundschaftlich empfangen wurde. Keine Bodyguards, kein Helikopter, kein Aufhebens. Der Bundesrat war angereist, um dem Verband zu seinem 80. Geburtstag zu gratulieren, und er habe es sympathisch und konziliant getan. Er hiess die Werber «in der Hochburg des Eigensinns» willkommen und meinte, er fühle sich im Kreis der Feiernden wohl, handle es sich doch für einmal nicht um Subventionsempfänger, sondern um Steuerzahlende: «Sie tragen in hohem Mass zu unserer Volkswirtschaft und an unseren Fiskus bei», stellte Merz anerkennend fest. Gerne hätte er der SW ein Geschenk mitgebracht, meinte der Finanzminister weiter, die Staatskasse sei aber bekanntlich fast leer und so müsse sich die Branche halt mit tröstenden Worten begnügen.
Bundesrat Merz hat durchaus zur Kenntnis genommen, dass die Werbewirtschaft im Moment zunehmend von einschränkenden Gesetzesmassnahmen bedrängt wird. Er streifte das neue RTVG, ging auf die Kinderwerbung ein und spitzte die Situation auf den Satz zu: «Unser Leben wird quasi zum Verbot mit Erlaubnisvorbehalt» - eine Bemerkung, welche die SW-Mitglieder und Gäste mit spontanem Applaus würdigten. Als Alternative gegen die zunehmende Verbotswelle empfiehlt Bundesrat Merz den Liberalismus. Und dabei meinte er nicht die parteipolitische Dogmatik, sondern die humane Philosophie, welche den selbstbestimmten, reifen Menschen ins Zentrum stellt, der Verantwortung für sich und seine Umwelt übernimmt. «Liberalismus bedeutet auch,» meinte Merz, «dass jeder Eingriff in die Privatsphäre des Menschen angemessen sein soll.» Und er folgerte daraus, dass Werbeverbote unter solchen Vorzeichen nicht zu rechtfertigen seien. «Unsere Gesellschaft wird lernen müssen, mehr Liberalismus zu leben und diesen von allen Formen des Missbrauchs abzugrenzen», schloss Hans-Rudolf Merz.
Natürlich kam auch der SW-Präsident Schmid nicht um die politisch bedrohliche Situation der Branche herum. Und auch er liess eine neue Linie in der Argumentation erkennen. Nachdem es trotz mangelnder Beweise für eine Korrelation zwischen der Werbung und dem Konsum gewisser Güter nicht gelinge, die Untauglichkeit solcher Massnahmen beliebt zu machen, werde man in Zukunft vermehrt auf die wirtschaftliche Komponente setzen und zwar nach dem Slogan «Im Zweifel für die Freiheit». Zum Schluss rief der SW-Präsident die Anwesenden auf, sich zusammen mit der SW weiterhin solidarisch gegen die bedrohlich werdende Situation einzusetzen.
Alle Traktanden der GV wurden einstimmig erledigt. Einen kurzen Kadenzwechsel verursachte lediglich die Wahl von zwei neuen SW-Vorstandsmitgliedern sowie die Ehrung des langjährigen Prüfungsleiters Friedrich Märki. Neu in den Vorstand aufgenommen wurden Henri Robyr, FRP (an Stelle von Saverio Progano) und Christian Merk, Zurich (an Stelle von Ingrid Gfeller, Nestlé).
Sonntag
01.05.2005