Syndicom rief – und 176 Delegierte kamen: Am 20. und 21. Juni tagte in Baden der 5. Kongress der Gewerkschaft syndicom unter dem Leitsatz «Gemeinsam sind wir stark».
Es wurde gewählt, diskutiert, resolutiert – und gelegentlich an der Realität vorbeideklamiert, wie der Klein Report vor Ort feststellte.
Zunächst das Positive: Die neue Geschäftsleitung hat endlich eine Frauenmehrheit in der bis anhin stark von Männern dominierten Gewerkschaft. Mit Teresa Dos Santos Lima-Matteo und Brigitte Reinhard sowie der bisherigen und wiedergewählten Vizepräsidentin Stephanie Vonarburg nimmt erstmals eine Frauenmehrheit in der bisher stark von Männern dominierten Gewerkschaft in der Geschäftsleitung Platz.
Der Präsident bleibt aber ein Mann: Matteo Antonini – der wiedergewählt wurde, dem Kongress aber wegen Krankheit nur elektronisch zugeschaltet wurde, so dass die Vizepräsidentin die schwere Aufgabe ohne grosse Vorbereitung stemmen musste und diese auch geleistet hat, wie mehrere Gewerkschafter gegenüber dem Klein Report übereinstimmend sagten.
Der Zentralvorstand wurde breit abgestützt gewählt – mit vielen guten Absichten im Gepäck.
Die Wahlen und die Themen zeigten indessen am Kongress einige Dissonanzen: Rhetorisch war man solidarisch, inhaltlich bleibt man punkto Service Public, Digitalisierung der Arbeit, die Herausforderungen durch künstliche Intelligenz ambitioniert. Dennoch: Die Kluft zwischen Delegierten und Geschäftsleitung wächst stetig.
Für Aufruhr sorgte etwa der Vorschlag, die Mindestgrenze für Mitgliedschaften mit Einkommen unter 10’000 Franken pro Jahr abzuschaffen und gleichzeitig die Beiträge für die untersten Kategorien zu erhöhen.
In der Praxis hätte dies bedeutet, dass Menschen mit sehr tiefem Einkommen von der Mitgliedschaft ausgeschlossen worden wären – in einem Land, in dem vor allem Frauen häufiger denn je mit exakt solchen Löhnen konfrontiert sind. Die Basis sagte Nein – und rettete die eigene Gewerkschafts-Glaubwürdigkeit.
SVP-Bundesrat Albert Rösti besuchte den Kongress in seiner Funktion als Medienminister und wurde von seinem politischen Gegner angenehm, demokratisch und freundlich begrüsst.
In einem spannenden, auch kontroversen Gespräch (aber immer freundlich im Ton) mit SP-Nationalrat David Roth unterstützte Rösti den Service Public, gab sich sehr volksnah, blieb dann aber doch vage, wenn es um konkrete Antworten auf den medialen und logistischen Abbau ging. Hier war vorallem das unangenehme Gebaren des Staatskonzerns Post mit seinem Vertriebspersonal ein Thema.
Die Delegierten überreichten Albert Rösti eine Resolution – eine «To-do-Liste» für jemanden, der lieber dafür nicht zuständig sein möchte, wie es schien.
Aufhorchen liess aber die ungefilterte Durchwinkerei von Gaza-Resolutionen. Der syndicom-Kongress wurde auch zeitlich verschoben, um den radikalen Minderheiten innerhalb der syndicom, Zeit zu geben, an der Gaza-Demo in Bern teilzunehmen.
Ausgerechnet der Nahe Osten prägte dann das Ende eines Gewerkschaftskongresses, der sich doch eigentlich um die realen Arbeitsbedingungen in Postfilialen, Callcentern und Medienhäusern drehen sollte.
Dass diese ideologischen Nebenschauplätze von der Geschäftsleitung kaum gebremst wurden, sorgte für spürbares Unbehagen bei vielen Delegierten und stärkt das Image der Gewerkschaften in der breiten Öffentlichkeit nicht sonderlich.
Fazit des Klein Reports: Syndicom will viel, könnte auch einiges – und das ist für den politischen Ausgleich in Krisenzeiten wichtig.
Die Zukunft der syndicom hängt aber nicht nur von der Politik und den Unternehmen ab, sondern vor allem auch davon, wie sich die innergewerkschaftlichen Herausforderungen entwickeln werden.
Dies war wohl eine der wichtigsten Erkenntnisse sowohl der Geschäftsleitung von syndicom als auch der Delegierten.