Der von Finanzminister Hans-Rudolf Merz angekündigte Verkauf des 66%-Anteils der Eidgenossenschaft am Telecomkonzern Swisscom warf auch am Wochenende hohe Wellen. Bundesratskollege Christoph Blocher befürwortete in einem Interview mit Radio DRS und in der «Sonntags-Zeitung» eine Volksabstimmung über den Verkauf der Anteile. «Den Fall Swisscom müssen Sie neben die Swissair stellen», erklärte Blocher am Radio. ... Die Swissair war genau der gleiche Fall.» Eine gute, hochqualitative Gesellschaft, die auch zuerst ein wenig Monopolcharakter gehabt habe. Und die Swissair habe auch Geld gehabt. Als der Konkurrenzdruck grösser geworden sei, habe die Swissair ausländische Gesellschaften gekauft. Am Schluss sei die Pleite gestanden. Wenn der Staat mit 66% beteiligt gewesen wäre, wäre das «furchtbar geworden», rechtfertigte Blocher das Regierungsverbot für Auslandszukäufe der Swisscom.
Merz selbst verteidigte in der «Finanz und Wirschaft» vom Samstag nochmals die Entscheidung der Landesregierung. «Im Interesse der Steuerzahler muss der Bund eine sehr vorsichtige Haltung einnehmen.» Gleichzeitig hagelte es Kritik am Entscheid aus Bern. Auf der anderen Seite müsse sich das Unternehmen im intensiven Wettbewerb behaupten und wachsen können. Dazu müsse es unternehmerische Risiken eingehen. «Die Ziele des Unternehmens und die Ansprüche des Hauptaktionärs widersprechen sich also. Der Bund ist damit offensichtlich nicht mehr der richtige Aktionär für die Swisscom», sagte der Finanzminister.
In der Schweizer Presse übten zahlreiche Kommentatoren teils heftige Kritik am Entscheid aus Bern: Dieser sei «absurd» und «schizophren», kommentierte der «Tages-Anzeiger». Da möchte der Bundesrat die Swisscom privatisieren und den Erlös aus dem Verkauf zur Schuldentilgung einsetzen. «Doch mit der Zwangsjacke für die Swisscom riskiert er, aus dem Aktienverkauf weniger einzunehmen.» Die Swisscom sei nun im Inland gefangen, wo sie kaum mehr wachsen könne.
Die politische Debatte über die Privatisierung des Telecomkonzerns werde noch drei Jahre oder länger dauern, schreibt «Der Bund». Bis dann werde die europäische Telekommunikationslandschaft aufgeteilt sein. Dann stünden höchstens noch Sanierungsfälle zum Kauf. «Mit anderen Worten wird sich die Swisscom kaum mehr im Ausland engagieren können, wenn sie dereinst privatisiert wird», meint das liberale Berner Blatt. Inkonsequent sei der Schritt auch, weil die Regierung bei früheren Bewerbungen der Swisscom um Telekom Austria oder Cesky Telekom nichts einzuwenden gehabt habe. - Siehe auch: Bundesrat wehrt sich gegen Swisscom-Expansionspläne und Unverständnis nach Swisscom-Manöver des Bundesrats
Samstag
26.11.2005