Angesichts des schrumpfenden Kerngeschäfts will die Swisscom in verwandten Bereichen massiv wachsen, etwa im Geschäft mit Kundenkarten und Inkasso. Im Ausland hat man TV- und Radio-Sendeanlagenbetreiber im Visier. «Wir verfolgen einen klaren Wachstumskurs», sagte der neue Chef der nicht zum angestammten Telecomgeschäft gehörenden verwandten Bereiche, Jürg Rötheli, am Freitag vor den Medien in Genf. Die Accarda, welche aus der Zusammenlegung der Billag und der Billag Card Systems am 1. Juli entstanden war, sei bereits die Nummer 1 bei den Kundenkarten in der Schweiz und solle weiter Gas geben.
Zwar würden schon Grossunternehmen wie Shell, Migrol, Esso, Manor, Möbel Pfister oder Mediamarkt ihre Kundenkarten von Accarda betreuen lassen. Aber die beiden «orangen Riesen» Migros und Coop betrieben ihre Kundenkarten M-Cumulus beziehungsweise Supercard noch in eigener Regie. «Wir möchten einen Grossen holen», sagte Rötheli. Daneben werde die Expansion nach Deutschland und eventuell Österreich vorbereitet. Auch in der Rechnungsstellung und Inkasso im Gesundheitswesen will Accarda auch akquisitorisch expandieren. Accarda habe gute Chancen, in den nächsten drei Jahren «Umsatz und hoffentlich auch Profitabilität» verdoppeln zu können, sagte Rötheli. Im letzten Jahr habe die Swisscom-Tochter rund 110 Mio. Fr. umgesetzt.
Nach dem Kauf des ungarischen TV- und Radio-Sendeanlagenbetreibers Antenna Hungaria mit rund 170 Mio. Franken Umsatz hat die Swisscom Appetit auf weitere derartige Unternehmen. Es gebe eine Reihe von Gesellschaften in Europa, die gut zu Swisscom passen würden, sagte Rötheli. Davon stünden vielleicht 5 in den nächsten eineinhalb Jahren zum Verkauf. Jede dürfte ein paar hundert Mio. Franken kosten. «Wir haben die Mittel zu investieren», sagte Rötheli. Die Frage sei, ob die Gesellschaften erhältlich seien und die Kaufkriterien von Swisscom erfüllten. Der Kauf von Antenna Hungaria für die voraussichtliche Gesamtsumme von rund 400 Mio. Franken sei lediglich der erste Schritt. Derzeit befinde sich die Swisscom in Gesprächen, sagte Rötheli, ohne Namen zu nennen.
Das Broadcastinggeschäft sei mit Ebitda-Margen von 30% und mehr ähnlich attraktiv wie das Telecombusiness. In der Schweiz könne Swisscom Broadcast als Marktführerin nicht mehr wachsen. Der Umsatz von rund 150 Mio. Franken werde tendenziell schrumpfen. Auch Swisscom IT Services befindet sich auf Expansionskurs. Am Freitag hat der Informatikdienstleister einen Auftrag in Höhe von 133 Mio. Franken über 5 Jahre von der SBB erhalten.
Angesichts der harten Konkurrenz durch Cablecom beschleunigt die Swisscom zudem die Aufrüstung ihres Festnetzes auf die neue Technologie VDSL. Damit wird die Auffahrt zur Internet-Datenautobahn noch breiter. Statt Übertragungskapazitäten von maximal 5 MB über ADSL seien nun je nach Distanz 10 bis 25 MB realistisch, sagte Swisscom-Netz-Chef Patrice Haldemann. Dies sei nötig, um dereinst hoch auflösendes Digital-TV einführen zu können. Gestartet werde in den grossen Städten, um im nächsten Jahr rund 60% der Bevölkerung abdecken zu können. Ursprünglich war erst für 2007 eine Abdeckung von der Hälfte der Bevölkerung geplant gewesen.
Sonntag
25.09.2005