«L`Hebdo» an der Spitze, drei Mal «Tribune de Genève» und zwei Mal «Tages-Anzeiger»: Das sind die Preisträger von Swiss Press Photo 12, dem auch dieses Jahr wieder mit über 50 000 Franken dotierten Fotopreis der Stiftung Reinhardt von Graffenried, der die besten Pressefotografen der Schweiz auszeichnet. Ab 5. Mai sind die prämierten Fotos im Landesmuseum in Zürich zu sehen.
Ein im Regen stehender Banker, der von UBS/Credit Suisse in Zürich quer über den Paradeplatz zu HCBC/Sprüngli hinüberrennt, ist das Swiss Press Photo of the Year (Bild). Der in Oxford geborene studierte Literaturwissenschafter Mark Henley, der mit einer Schweizerin verheiratet ist und in Genf lebt, hatte es im Rahmen der s/w-Serie «Bank on us» geknipst. Was aussieht wie ein Zufallstreffer, ist jedoch Teil eines intensiven Gedanken- und Arbeitsprozesses.
«Ich habe 90 Tage an dieser Serie gearbeitet», verriet Henley im Gespräch mit dem Klein Report. «Ich habe dieses Projekt nur schon monatelang in meinem Kopf gewälzt, bis klar war, dass einzig Schwarz-Weiss-Fotografie für dieses Thema infrage kam. Die Schwere der Atmosphäre liegt am Paradeplatz in der Luft und die Art, wie sich die Banker kleiden, erinnert einen an den kalten Krieg.»
Erst Swissinfo online und danach «L`Hebdo» hatten die Qualität des prämierten Bildes sofort erkannt; inzwischen ist hat es einen Siegeszug um die Welt angetreten, selbst die «New York Times» hat Bilder aus Henleys «Bank on us»-Serie gedruckt. Und niemand hat protestiert? Der im Regen rennende Banker ist nicht zum Presserat gerannt? «Ich habe nur einmal bei der Nationalbank um Fotoerlaubnis gefragt», sagt Henley, «die haben nur gelacht.» Der porträtierte Banker auf dem Siegerbildes jedoch hat sich selbst bei Henley gemeldet, das Bild gefällt ihm, und er hat sogar zugesagt, zur Ausstellungsvernissage am Freitag dieser Woche ins Landesmuseum zu kommen!
Ob das Bundesrätin Simonetta Sommaruga auch so locker sieht? Das Siegerbild in der Kategorie Porträt von Adrian Moser, das eine verlorene, einsame Frau im Bundeshaus unter einem Schweizerkreuz zeigt, die Hand schützend auf ihrem Bauch, war so eigentlich nicht gedacht gewesen. Im Gegenteil: Sommaruga hatte sich geweigert, unters Schweizerkreuz zu stehen, und während Fotograf und PR-Frau noch über den idealen Standort diskutierten, war der Zufallstreffer entstanden. Der Bund, für den Moser arbeitet, hatte das Bild nicht erkannt oder nicht gewollt, doch die Bildredaktion des «Tages-Anzeigers» erkannte dessen Qualität sofort und publizierte es, Entstehungsgeschichte hin oder her.
«Das zeigt, dass die Preise eigentlich auch an die Bildredaktionen gehen, die diese Fotos ausgewählt und ins Blatt genommen haben», sagt der in Paris lebende Schweizer Spitzenfotograf Michael von Graffenried, auf dessen Initiative hin sein Vater, Verleger Charles von Graffenried und Papierproduzent Erwin Reinhardt, vor 21 Jahren den Swiss Press Photo Award ins Leben gerufen und finanziell anspruchsvoll ausgestattet hatten. Logisch, dass von Graffenried sich selbst als Preisträger damit für immer aus dem Rennen nahm. Dafür ist er hinter den Kulissen unermüdlich aktiv, stellt die Jury zusammen und hat auch den diesjährigen Gewinner des mit 20 000 Franken dotierten Lifetime Achievement Award, Robert Frank, ausgewählt und in die Schweiz gebracht.
«Frank ist der Vater von uns allen, die wir mit Fotografie zu tun haben», sagt von Graffenried über den 88-jährigen Preisträger, der zur Preisverleihung im Stadttheater Bern letzte Woche Kunstfreunde aus ganz Europa mitgebrachte hatte, unter anderen den italienischen Starfotografen Paolo Roversi und den französischen Künstler und Salonlöwen François-Marie Banier (dessentwegen Orèal-Erbin Liliane Bettencourt vor Kurzem entmündigt worden ist und der, ganz sicher unter einem Präsidenten François Hollande, wohl bald ins Gefängnis wandern wird): «Robert Frank wurde 1924 in Zürich geboren und lebte in der Schweiz, bis er mit 23 Jahren das Schiff nach Amerika nahm und dort zum wichtigsten Fotografen überhaupt wurde. Er hat uns alle beeinflusst. Wir haben alle ein wenig Robert Frank in uns, sein Einfluss auf die Fotografen der Welt - die Swiss-Press-Fotografen und ich inbegriffen - ist enorm. Deshalb ist er noch zu Lebzeiten Kult geworden.»
Robert Frank ist nach dem letztjährigen Preisträger René Burri der zweite ganz grosse alte Mann der Schweizer Fotografie, der mit dem Lifetime Achievement Award von Swiss Press Photo ausgezeichnet wurde. Wie viele Anwärter auf diesen Preis mit solchem Renommee gibt es noch für künftige Jahre? «Ich glaube nicht mehr allzu viele», sagt Michael von Graffenried, «aber auch in der Fotografie ist ja alles im Wandel, und wenn wir nicht mehr zurückblicken können, dann halt vorwärts. Heute habe ich selbst längst keine Pocketkamera mehr in der Tasche, das iPhone genügt mir, sein Objektiv ist wirklich sehr gut.»
Von A bis Z einzig mit dem iPhone fotografiert ist etwa die Siegerserie in der Kategorie Umwelt von Olivier Vogelsang für die «Tribune de Genève», die das Mitternachtsbad am Genfersee zeigt, an den Stränden und in Schwimmbädern, Jung und Alt, in Badehosen und auch ohne, entstanden im vergangenen Juli und August.
Olivier Vogelsang räumte auch in der Kategorie Ausland ab, mit «Tripoli libérée» für die «Tribune de Genève». Und auch die Siegerserie in der Kategorie Sport, «Combats» von Georges Cabrera, ist für die «Tribune de Genève» fotografiert worden. Simon Tanner schliesslich trug mit der Serie «Silvesterchläuse», fotografiert für den «Tages-Anzeiger», in der Kategorie Kunst und Kultur den 1. Preis nach Hause.