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Freitag
05.03.2004

Wer schon immer mal wissen wollte, wie komplex Vater-Sohn-Beziehungen sein können, sollte sich das Interview mit Joachim Unseld im neuen «Stern» zu Gemüte führen. Allerhand Saftiges ist da zu lesen, über die «böse Stiefmutter» etwa, die den Sohn Joachim, der eigentlich den Suhrkamp-Verlag von seinem Vater Siegfried hätte erben sollen, vom Thron verstiess und nun selbst an der Spitze des «angesehensten deutschen Verlages» («Stern») steht.

«Wenn etwas bei mir schief lief, ist es das gebrochene Verhältnis zu meinem Vater und diese Sache mit dem Suhrkamp-Verlag», sagt Joachim Unseld (51) zum «Stern». «Mein Vater hatte alles dafür getan, dass ich sein Nachfolger werde, schon 1978 habe ich Anteile am Verlag bekommen, mein Typ war also gefragt. Aber plötzlich, nach 15 Berufsjahren, sagt mein Vater: Das wars dann!», fährt Unseld seine lange Rede über das zerrüttete Vater-Sohn-Verhältnis fort, bei dem es offenbar auch zu Handgreiflichkeiten, öffentlichen Demütigungen in Interviews und echten Kampfansagen kam. Der einst glückliche Junior, der den Suhrkamp-Verlag (6800 lieferbare Bücher, 500 neue Bücher pro Jahr) hätte leiten sollen, sitzt heute in einem Hinterhof - im Chefbüro seiner vergleichsweise bescheidenen Frankfurter Verlagsanstalt, die gerade mal 10 Neuerscheinungen im Jahr herausbringt.

«Wie konnte es so kommen?», wollten auch die Journalisten vom «Stern» erfahren. Cherchez la femme, heisst die Antwort. Sie, gemeint ist die junge Geliebte seines inzwischen verstorbenen Vaters Siegfried, Ulla Berkéwicz, habe diesem Vater den Kopf verdreht, ihn blind vor Liebe gemacht. «Sie hat ihm eine Liebe produziert, die es nicht gab», so Unseld, «aber dadurch, dass sie diese Liebe jahrelang produziert hat, gab es sie doch ... Zunächst war sie Geliebtendarstellerin, dann die Ehefraudarstellerin, jetzt haben wir es mit einer Verlegerdarstellerin zu tun ... Diese Frau hat sich letztlich meinen Posten angeeignet. Ein Jahrzehnt lang hat sie so getan, als wolle sie das nicht machen.» Aber sie tat es. Das Testament von Siegfried Unseld sah seine Ehefrau für die Nachfolge vor. Dass die heute 55-jährige Schauspielerin und Schriftstellerin beim Suhrkamp-Verlag das Sagen hat, passt nicht allen und hat insofern bereits für Wirbel gesorgt, als der höchst divenhafte Autor Martin Walser dem Verlag, den er auch seine literarische Heimat nannte, den Rücken kehrte. «Das», ahnt der verstossene Sohn, «trifft den Verlag in seiner Substanz.» Und er fügt hinzu: «Wenn Suhrkamp nun unterginge, stünde mein Vater noch besser und grösser da.»