Die Monopolmacht von Internet-Suchmaschinen ist an einer internationalen Tagung in Berlin in die Kritik von Medienexperten geraten, die mehr Kontrolle gefordert haben. «Es ist wichtig, die Macht nicht unbeobachtet entwickeln zu lassen», sagte am Dienstag Tagungsleiter Marcel Machill, der an den Universitäten Leipzig und Dortmund Journalistik lehrt. Suchmaschinen wie Yahoo!, Microsoft MSN und allen voran Google hätten wegen ihres Marktanteils von mehr als 90% auch eine «publizistische Verantwortung» zu übernehmen.
Die grossen Suchmaschinen-Betreiber betrachten sich lediglich als Anbieter einer rein mathematischen Suchtechnologie, sagte Machill. Eine Selbstzensur über die gesetzlichen Anforderungen hinaus weisen sie zurück. Dabei liefern Trefferlisten auch Verknüpfungen zu Seiten mit Inhalten von «erheblichem öffentlichem Interesse». Da Internetnutzer Untersuchungen zufolge höchstens die ersten 20 Treffer benutzen, ergebe sich aus der Reihenfolge, in der die Treffer angezeigt werden, eine entscheidende Vorauswahl.
Wer zum Beispiel bei Google den Begriff NSDAP eingab, landete bis vor kurzem auch auf einer Seite mit rechtsextremem Inhalt. «Stellen Sie sich vor, dass Schüler sich im Internet über das Thema informieren wollen», sagte Machill dazu. Zwar wurde die Verknüpfung aus rechtlichen Gründen in Deutschland inzwischen gestrichen, aber das Problem ist damit nicht gelöst. Betreiber sollten nach Ansicht Machills einen Schritt weitergehen und eine «eigene Verantwortung» entwickeln. Erste Ansätze dazu sind vorhanden: Die Betreiber in Deutschland, darunter die deutschen Töchter von Yahoo!, Google und Microsoft MSN, haben im vergangenen Jahr einen Verhaltenscodex vereinbart, der Verbindungen zu nicht jugendfreien und Gewalt verherrlichenden Seiten verhindern soll. Machill hält zudem die Entwicklung «vertrauenswürdiger» Suchmaschinen für möglich, zum Beispiel von einem öffentlich-rechtlichen Träger.
Mittwoch
28.06.2006