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Montag
07.05.2012

Die schöne neue grosse vernetzte IP-Welt bringt, trotz oder gerade wegen Facebook und Google, nicht nur Milliardengewinne, sondern auch Bedrohungen: Eine Studie von Arthur D. Little für den europäischen Markt zeigt auf, dass die technische Vernetzung hin zu einer komplett vernetzten IP-Welt das Kerngeschäft der Telekommunikationsunternehmen in Gefahr bringt und für deren Umsätze eine grosse Bedrohung darstellt. Einzig neue IT-Anwendungen in den Branchen Energie, Automotive, Einzelhandel und Healthcare könnten die Rückgänge, welche sich bis 2015 fortsetzen würden, teilweise auffangen.

Dienste wie Sprachtelefonie und SMS können zunehmend über IP geführt werden. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse der neuen Studie «Telecom Operators: Let`s Face it», der 11. Auflage der jährlichen europaweiten Studie der weltweit tätigen Managementberatung Arthur D. Little und des renommierten Equity Brokers Exane BNP Paribas. Die neue «IP-Welt» bezeichnet den zunehmenden Gebrauch der Internet Protocoll-(IP)-Technologie zur Kodierung von Sprachsignalen in digitale Pakete, um Kostenlosdienste über das Internet zu nutzen - und eben nicht über die kostenpflichtigen Netze der herkömmlichen Telefontechnologien.

Bis 2015 drohe dem Telekom- und Pay-TV-Sektor daher ein Rückgang der Umsätze im Kerngeschäft um -1,8 Prozent jährlich. Weitere Ursachen für diesen Umsatzrückgang seien eine Kombination aus in Europa schwierigem makroökonomischem Umfeld, regulatorischer Intervention und stärkerem Wettbewerb durch sogenannte «Over-The-Top» (OTT)-Player. OTT-Player sind Unternehmen wie Google, Apple oder Skype, die ihre Services zumeist kostenlos über das Internet anbieten.

Die Studie zeigt, dass Telekommunikationsunternehmen von einer noch stärkeren Bedrohung durch OTT-Angebote im Mobilbereich (Sprachtelefonie und SMS/Messaging-Dienste) ausgehen müssen. Zudem sorgten Regulierungsbehörden und Wettbewerbsdruck dafür, dass die Preise für das Telefonieren mit dem Smartphone bzw. Handy jedes Jahr sinken. Auch das Wachstum mit SMS-Diensten ist in den vergangenen Quartalen europaweit zurückgegangen.

Auf der anderen Seite wächst der Umsatz mit reinen Datendiensten um kräftige 20 Prozent jährlich. Das Dilemma: Dieses Wachstum bei den IP-Datendiensten «kannibalisiert» die Nutzung von SMS, da man seit geraumer Zeit Kurznachrichten unbegrenzt und ohne weitere Kosten über Messenger-Dienste wie z. B. WhatsApp verschicken kann.

Knapp drei Viertel der über 100 Studienteilnehmer - bestehend aus Telekommunikations- und Kabelnetzunternehmen (59%), Medien- und Softwareunternehmen (19%), Regulierungsbehörden und anderen (15%) sowie Ausrüstungs- bzw. Netzinfrastruktur-Unternehmen und anderen (7%) - sehen vor allem den Umsatztreiber «Mobilfunkgespräche» gefährdet, die den Telekommunikationsunternehmen derzeit noch hohe Margen einbringen - v. a. bei Auslands- oder Roaminggesprächen. Auch diese werden aber zunehmend über OTT-Dienste wie Skype geführt.

Konkret bieten sich für die Telekommunikationsunternehmen nach Ansicht der Studienautoren vier Strategien an, um auf die Trends zu reagieren: Bundling, also das Bündeln verschiedener Dienste zu einem Preis, wird weiter zunehmen. Eine zweite mögliche Reaktion sind nach Downloadgeschwindigkeiten differenzierte Preise. Auf Produktebene könnten Telekomanbieter zusätzliche Features über die IP-Schnittstelle anbieten.

Weiteres Differenzierungspotenzial böten Servicequalität und lokale Shops. Alternativ könnten die Telekomanbieter auch eigene OTT-Services anbieten und zudem seien da noch angrenzende Märkte, in die sie investieren könnten, um neue Umsatzquellen zu erzielen: Beispiele sind eine Fernauslesung von Energiezählern (Smart Meter), ein intelligentes Zuhause (Smart Home) oder persönliche Sicherheit / Überwachung. In der Automotive-Branche könnten Dienstleistungen rund um den «connected car» angeboten werden oder Dienstleistungen für ein verbessertes Flottenmanagement.

«Angesichts der rückläufigen Umsätze im Kerngeschäft und der grossen Herausforderungen durch Over-the-Top-Player werden europäische Telekommunikationsbetreiber neue Geschäftsmodelle umsetzen müssen und zunehmend Umsatzquellen in angrenzenden Märkten adressieren», so Didier Levy, Director des Bereichs Time (Telekommunikation, Information, Medien und Elektronik) bei Arthur D. Little. Nach Berechnungen von Arthur D. Little könnten insgesamt die potenziellen Umsätze, die Telekomanbieter mit «vertical solutions» realisieren können, bis zum Jahr 2015 4 bis neun Prozent zum Umsatz grosser Telekomanbieter beitragen. Allerdings reiche dieser Wert nicht für die vollständige Kompensation des insgesamt negativen Trends aus. Daher müssten sie zudem noch weiter ihre Kosten optimieren, sowohl im Hinblick auf operative Kosten als auch auf Investitionsebene.