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Freitag
08.07.2011

In einem Streitgespräch in Bonn titulierte ein Kritiker den Deutschen Presserat als «Feigenblatt der Verleger». Das Streitgespräch fand an einer Tagung statt, an der es um die Rolle der Medien in der Demokratie ging. Für den Klein Report berichtet Roger Blum.

Der Deutsche Presserat ist - wie der Schweizer Presserat auch - das Selbstkontrollorgan der Branche, das sich auf den Kodex der Berufsethik stützt. Es gibt allerdings Unterschiede: Der Deutsche Presserat ist seit jeher paritätisch zusammengesetzt aus Journalisten und Verlegern, er befasst sich ausschliesslich mit der Presse und mit Medienauftritten im Internet.

Der Schweizer Presserat besteht aus Medienschaffenden und Publikumsvertretern. Die Stiftung, die in der Schweiz den Presserat ernennt und überwacht, wird seit kurzem nicht nur von den Journalistenverbänden, sondern auch von den Verlegern und von der SRG getragen. Der Schweizer Presserat nimmt Beschwerden zu allen Medien entgegen, also auch zu Radio und Fernsehen. Die Gremien beider Länder beraten nicht öffentlich (wobei zu den Sitzungen des Schweizer Presserats kleine Gruppen nicht direkt beteiligter Interessierter als Zaungäste zugelassen sind).

Im Streitgespräch an der Tagung in Bonn warf Volker Wolff, Professor für Journalistik an der Universität Mainz, dem Deutschen Presserat vor, Beschwerden abzuwimmeln, medienethische Probleme nicht von sich aus aufzugreifen, die Anzeigenblätter nicht unter die Lupe zu nehmen und Schleichwerbung nicht zu ahnden. Er sei überdies zu eng zusammengesetzt. Die Verleger, welche den Hauptteil der Kosten des Presserats tragen würden, würden das Gremium absichtlich kurz halten. Deshalb, so Wolff, sei der Deutsche Presserat «ein Feigenblatt der Verleger».

Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Presserats, entgegnete, dass der Presserat eigentlich zu allen Themen Stellung nehme. Alle Verlage ausser Bauer hätten die Selbstverpflichtung unterschrieben und veröffentlichten die sie betreffenden Rügen - auch der Springer-Verlag, der die «Bild»-Zeitung herausgibt. Es sei durchaus denkbar, dass die Anzeigenblätter künftig mehr im Fokus des Presserates stehen werden. Auch wenn ihm keine branchenfremden Experten angehörten, mache er sich dennoch kundig über neue Themen, indem er Experten anhöre. Tillmanns versprach, einige der Kritiken und Anregungen in den Presserat einzubringen.

Vor diesem Streitgespräch beleuchteten Experten Probleme der Medien in der Demokratie. Dieter Dörr, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Mainz, machte deutlich, dass die Medien aufgrund der Verfassungsrechtsprechung schlechthin konstituierend seien für eine funktionierende Demokratie, denn die Demokratie setze gut informierte und urteilsfähige Bürgerinnen und Bürger voraus, und dies könnten nur die Medien leisten. Volker Lilienthal, Professor für journalistische Praxis an der Universität Hamburg, plädierte dafür, den politischen Journalismus vor allem im lokalen Bereich zu stärken. Journalismus habe in der Demokratie eine Interpretationsfunktion, er müsse erklären und einordnen.

Hans Mathias Kepplinger, Professor für empirische Kommunikationswissenschaft an der Universität Mainz, zeigte auf, dass immer noch das Fernsehen die Hauptquelle für politische Information sei, dass man aber von der Vorstellung Abschied nehmen müsse, je besser die Information sei, umso informierter seien die Bürgerinnen und Bürger. Klaus Kocks, PR-Berater und Professor für strategisches Kommunikationsmanagement, legte dar, dass sich die Public Relations vom Anbietermarkt zum Nachfragemarkt gewandelt hätten, dass aber deren Dienstleistung nicht vom Nachfrager (Medien) bezahlt werde, sondern vom Anbieter (PR, Behörden oder Unternehmen). Der Einfluss der PR auf den Journalismus steige, aber eine Übermacht würde die PR leugnen. Moderator Stephan Russ-Mohl, Professor für Journalistik und Medienmanagement an der Universität Lugano, mahnte, man mache es sich zu einfach, wenn man im Zusammenhang mit Medien die Demokratie idealisiere und den Markt verteufle. Die Frage, ob es demokratietheoretisch zwingend sei, einen gebührenfinanzierten Rundfunk zu haben, blieb offen.

Veranstaltet hatte die Tagung in Bonn die «Demokratie-Stiftung» der Universität zu Köln. Diese Stiftung, vom Diplom-Kaufmann Georg Kiefer 2002 ins Leben gerufen, will sich global für Demokratiestabilität, Demokratiequalität und Demokratieeffizienz einsetzen, und zwar vor allem durch wissenschaftliche Erörterung und Forschung. Im Kuratorium sitzen neben dem Stifter der Rektor der Universität zu Köln, Professor Axel Freimuth, und Kanzler Johannes Neyses, ferner der Mainzer Politikprofessor Jürgen Falter, der Kölner Völkerrechtsprofessor Bernhard Kempen, der Bonner Politikprofessor Gerd Langguth, der Mainzer Journalistikprofessor Volker Wolff sowie der Bankier und Industrielle Alfons Titzrath.