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Donnerstag
02.11.2006

«Der Standard» und zwei Journalisten erhalten 34 000 Euro Schadenersatz von der österreichischen Regierung. Der Grund: Die Regierung habe die Meinungsfreiheit verletzt. Zu diesem Urteil kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in drei Fällen. Gegenstand der Beschwerden waren anderem zwei kritische Artikel über den früheren Vorsitzenden der rechtsgerichteten Freiheitlichen Partei (FPÖ), Jörg Haider, im Jahr 1998. In einem davon war Haiders Führungsstil kritisiert und eine Verurteilung des Politikers wegen Beleidigung eines Hochschullehrers erwähnt worden. Ein österreichisches Gericht hatte die verantwortliche Journalistin nach einer Klage Haiders deswegen zu einer Geldstrafe verurteilt.

Dann ging es um Beleidigung und üble Nachrede gegen einen Richter in Zusammenhang mit einem Artikel über Homosexuelle. Ein österreichisches Gericht verurteilte nach der Klage des Richters einen Journalisten zu einer Geldstrafe. Konkret hatte der Richter zunächst über eine Klage von Homosexuellen gegen eine Katholiken-Zeitschrift sein Urteil gesprochen. Dabei hatte er zwar die Zeitschrift der Beleidigung für schuldig befunden, weil sie Homosexuelle als «kriechende Ratten» bezeichnet und empfohlen hatte, sie mit «der Peitsche» und «Nazi-Methoden» zu bestrafen. Das fragliche Urteil enthielt aber auch eine Passage - mit präzisen Beispielen - über homosexuelle Praktiken bei Tieren. Der Journalist des «Standard» hatte darauf dem Richter vorgeworfen, er habe mit den «schockierenden Beispielen aus der Tierwelt» eine hasserfüllte Hetzkampagne gegen Homosexuelle geführt. Er äusserte Zweifel an der «intellektuellen und moralischen Integrität» des Richters. Dafür wurde er verurteilt.

Nach Einschätzung der Richter in Strassburg haben die Zeitung und die Journalisten in beiden Fällen ihre Verantwortung als «Wachhunde der Gesellschaft» ausgeübt. Die österreichische Justiz habe für ihre Entscheide keine «überzeugenden und ausreichenden Motive» vorgebracht. Beide Verurteilungen waren «unter diesen Umständen in einer demokratischen Gesellschaft nicht erforderlich», schreibt das Gericht.

Im Fall Haiders seien die umstrittenen Aussagen «ein politischer Kommentar» gewesen, der «auf Fakten beruhte». Im Fall des Richters sei die Kritik «weder ungerechtfertigt noch zerstörerisch» gewesen.