Da war sie also beisammen, die Haute volée der Schweizer Prominenz von Film und Boulevard-Theater: Anne-Marie Blanc, die Grande Dame von Kino, Theater und Fernsehen («Lüthi und Blanc»), Charmebolzen Hannes Schmidhauser («Ueli der Knecht»), die Bond-Nixe Ursula Andress, Vollblutschauspieler Mathias Gnädinger, Gentleman Paul Hubschmid, die Volksschauspieler Lukas Ammann, Peter W. Staub, Ruedi Walter und Inigo Gallo, der Hans-Dampf der Kinoszene, Hans Leutenegger, und Stephanie Glaser. Über 22 Jahre ists her. Der Filmexperte des Klein Reports, Rolf Breiner, würdigt die Verstorbene.
Der Filmer Walo Deuber hatte 1988 das Kunststück fertiggebracht, diesen namhaften Kreis für seinen Salonkrimi «Klassezämekunft» zusammenzubringen. Ich war an einem Drehtag auf einem Landsitz dabei, als Stephanie Glaser als Haushaltslehrerin Lisbeth Schneider herumwuselte. Bei diesem Filmtreffen vollzog die Hausherrin (Blanc) 50 Jahre nach der Matura eine persönliche Rache. In «Klässezämekunft» ging es sozusagen um eine etwas andere, mörderische Variante von Dürrenmatts «Besuch der alten Dame».
Danach habe ich Stephanie Glaser etwas aus den Augen verloren, bis zur ihrem fulminanten Comeback 2006 als beherzte Lingerieboutique-Besitzerin Martha in der Komödie «Die Herbstzeitlosen» von Bettina Oberli. Eigentlich war es kein richtiges Comeback, denn die Bernerin Glaser war nie weg, sie tauchte hier und da in Nebenrollen auf. Im Publikumshit mit den forschen «Herbstzeitlosen» im Emmental spielte sie ihre erste Hauptrolle. Bei der Prix-Walo-Gala, wo auch die «Herbstzeitlosen» in Interlaken ausgezeichnet wurden, erlebte ich die damals 87-jährige Stephanie als strahlenden Stern (ohne je Star zu sein) mehr Frühlingsblume denn Herbstzeitlose, als sie zum Publikumsliebling gewählt worden war.
Späte Ehrung, späte Genugtuung einer Schauspielerin, die sich mit Herzblut eingab und ihre Kunst von der Pieke auf gelernt hatte - vom Kabarett («Bäretatze», «Flöigefänger», «Café Féderal») und Kleinbühnen übers Fernsehen (als Tante Elise in «Teleboy», in den Serien «Motel» oder «Die Direktorin») bis zum Kino («Ueli der Knecht, «Ueli der Pächter», «Leo Sonnyboy», «Sternenberg»). Sie war stets mit Volldampf, Witz und Lust bei der Sache. Der Schalk blitzte stets in den Augen der schmächtigen Person, die vor Energie sprühte.
Da konnte es auch passieren, dass sie mit ihrem Mini das Gaspedal durchtrat und mit «Höllentempo» PW wie Lastwagen riskant überholte, wie Walter Roderer just in seinem Nachruf («Sonntagsblick») berichtete. In ihrer pfiffigen, spitzbübischen und kecken Art erinnerte sie mich immer an die grosse deutsche Volksschauspielerin Inge Meysel. Beide nahmen kein Blatt vor den Mund, waren volkstümlich und beliebt, und hatten Lust am Leben - bis zuletzt.
Stephanie Glaser hatte im Herbst den Film «Mord hinterm Vorhang» (Regie: Lydia Walliser) fertiggedreht und stand in diesem Jahr noch im Zürcher Hauptbahnhof vor der Kamera für den Kurzfilm «Das Künstlerleben». Sie starb kurz vor ihrem 91. Geburtstag (geboren 22. Februar 1922 in Neuenburg) vergangene Freitagnacht im Spital Zollikerberg, Zürich.