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Freitag
04.11.2005

Die Russen, die früher als das lesefreudigste Volk der Welt galten, nehmen nach offiziellen Angaben immer seltener ein Buch zur Hand. Mehr als die Hälfte der Russen kaufe überhaupt keine Bücher mehr, über ein Drittel lese nicht, teilte die für Medien zuständige Staatsagentur in Moskau mit. «34 Prozent der Russen haben keine Bücher zu Hause», heisst es in der am Freitag veröffentlichten Statistik. Nach internationalen Umfragen zur durchschnittlichen Lesezeit pro Woche liegen die Russen mit 7,1 Stunden auf dem siebten Platz hinter den Indern (10,7 Stunden), Thailändern, Chinesen, Philippinern, Ägyptern und Tschechen.

Die Behörde forderte deshalb ein nationales Programm zur Leseförderung. In Dörfern und Kleinstädten seien Bücher und Zeitschriften fast unzugänglich, weil es an Buchläden fehle. Nur jeder fünfte Russe nutze die verarmten örtlichen Bibliotheken, wurde beklagt. Die Lesefreude sei durch die veränderte Lebensweise seit dem Zerfall der Sowjetunion zurückgegangen, sagt der Leiter der russischen Kulturbehörde, Michail Schwydkoi. «In der Sowjetunion war es spannender zu lesen als zu leben. Jetzt ist es umgekehrt», erklärte er. Den offiziellen Klagen steht entgegen, dass die Zahl der veröffentlichten Titel in Russland nach einem Einbruch Anfang der 90er-Jahre zuletzt wieder kontinuierlich gewachsen ist. 2004 erschienen 89 066 Bücher und Broschüren mit einer Gesamtauflage von 685 Millionen Stück. Allerdings sind die früher wegen Subventionen extrem günstigen Bücher auch teuer geworden.