Mal gibts Lob vom Schweizer Presserat, mal teilt er einen Nasenstüber aus. So ist es der «SonntagsZeitung» aus dem Tamedia-Verlag ergangen, die vor Wochenfrist noch als «vorbildlich» bezeichnet worden war, weil sie mehrfach vergeblich versucht hatte, einen Informanten zu erreichen. Jetzt kommt die kalte Dusche: In der Berichterstattung über den umstrittenen Paraplegiker-Arzt Guido A. Zäch habe die SoZ die Wahrheitspflicht verletzt und sich zudem nicht an eine Zusage gehalten, Zitate eines Gesprächspartners diesem zum Gegenlesen vorzulegen.
Der schwerwiegende Vorwurf des Presserats betrifft den Umstand, dass die «SonntagsZeitung» fälschlicherweise behauptet hatte, es gebe ein Verbot für Rechtsvertreter, Kontakte zu Zeugen aufzunehmen. Richtig ist vielmehr, dass es den Anwältinnen und Anwälten verboten ist, Zeugen beeinflussen zu wollen. «Wir sind von einer falschen Voraussetzung ausgegangen», räumte dazu SoZ-Chefredaktor Andreas Durisch am Montag gegenüber dem Klein Report ein.
Gleich einen zweiten Fehler machte die «SonntagsZeitung» laut Presserat, als sie einer Auskunftsperson die für einen Artikel verwendeten Zitate nicht nochmals vorlegte. Die Zeitung wäre «verpflichtet gewesen», dem Gesprächspartner «die verwendeten Zitate wie vereinbart zum Gegenlesen zu geben.» Dazu hob SoZ-Chefredaktor Durisch gegenüber dem Klein Report hervor, der Informant habe die Fragen schriftlich beantwortet, und man dürfe doch davon ausgehen, dass zwar gekürzte, formal aber unveränderte schriftliche Zitate ohne weiteres Gegenlesen verwendet werden dürfen. «Sonst kann man ja nicht mehr zitieren», sagte er.
Hingegen war es der «SonntagsZeitung» laut Presserat erlaubt, den Kontakt der Zäch-Anwältin zu einem Zeugen eine Woche vor dem Gerichtstermin als «Fehltritt» zu bezeichnen, da ein solcher Besuch «die Gefahr einer unzulässigen Beeinflussung berge». Der Ausdruck «Fehltritt» liege somit «noch innerhalb der Grenzen der Kommentarfreiheit», betont der Presserat. Ebenfalls auf der guten Seite blieb die SoZ mit der Bemerkung, die Zäch-Anwältin habe versucht, den Prozess zu verzögern, damit verschiedene Anklagepunkte verjähren sollten.
Die am Wochenende den Parteien zugestellte Stellungnahme ist allerdings noch nicht definitiv, da die Beschwerdeführerin Änderungen am Text verlangt hat. Diese Anträge betreffen laut Presserats-Sekretär Martin Künzi allerdings nur einen Nebenaspekt. «Ich hoffe, dass diese Frage in den nächsten Tagen bereinigt werden kann», sagte er am Montag zum Klein Report. - Die Stellungnahme im Wortlaut: http://www.presserat.ch/22500.htm
Montag
28.08.2006