Der «SonntagsBlick» durfte unter dem Titel «Der Baby-Quäler hat eine neue Knast-Liebe - X. will sich scheiden lassen» über einen 1998 vom Zürcher Geschworenengericht zu 17 Jahren Zuchthaus Verurteilten berichten. Der Betroffene, der verwahrt wurde, warf der Zeitung vor, seine Privatsphäre verletzt, tatsachenwidrig informiert und die Anhörung bei schweren Vorwürfen unterlassen zu haben.
Zudem sah er die Ziffer 8 der «Erklärung» (Menschenwürde, Diskriminierung) verletzt. Er habe seine gerichtlich ausgesprochene Strafe vollumfänglich verbüsst und damit die ihm zur Last gelegten Straftaten gegenüber der Öffentlichkeit gesühnt. Für die Veröffentlichung des Artikels sei offensichtlich seine sexuelle Orientierung ausschlaggebend gewesen.
Der «bekennende Homosexuelle» sorge in der Strafanstalt Pöschwies «mit einer neuen Liebesbeziehung für Aufruhr», hatte der «SonntagsBlick» berichtet. Er sei 2009 in einen Hungerstreik getreten, weil ihm die Gefängnisleitung eine Heirat untersagt habe, habe 2010 dann einen 73-jährigen Rentner geheiratet und sei nun seit rund einem halben Jahr mit einem 38-jährigen Mithäftling, «ein mehrfach vorbestrafter Kinderschänder», liiert.
Trotzdem der Beschwerdeführer eine Strafanzeige wegen der Berichterstattung eingereicht hatte, trat der Presserat auf die Beschwerde ein. Allerdings nur auf die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung von Ziffer 7 der «Erklärung» (Privatsphäre), da sich diesbezüglich berufsethische Grundsatzfragen stellen würden.
«Der Presserat hat sich bisher nie zur Frage geäussert, ob eine identifizierende Berichterstattung bei aufsehenerregenden Kriminalfällen, bei denen der Name des Täters allgemein bekannt geworden ist, auch Jahre nach der Verurteilung weiterhin zulässig ist und ob dabei auch das Privatleben des Betroffenen thematisiert werden darf», teilte der Presserat mit.
Da der Fall des Beschwerdeführers zu den bekanntesten Gerichtsfällen der jüngeren Schweizer Kriminalgeschichte gehöre und sich kaum behaupten lasse, dass der Beschwerdeführer seit seiner Verurteilung vor 15 Jahren alles getan hat, um nicht neuerlich in den Fokus der Medien zu geraten, wies der Presserat die Beschwerde ab.
Der Beschwerdeführer habe bisweilen auch selber zur öffentlichen Aufmerksamkeit beigetragen, sei es durch einen Hungerstreik, durch Briefe an Medienredaktionen oder dadurch, dass er seinen Anwalt ermächtigt habe, sich zu seinem Fall zu äussern. Nicht zuletzt gelte das «Recht auf Vergessen» nicht absolut.