Über 170 Personen haben am Montagabend an einer öffentlichen Posiumsdiskussion der Hochschule für Wirtschaft und Verwaltung Zürich (HWZ) teilgenommen, die unter dem Stichwort «Firmen und öffentliche Personen im Krisenfall - Medien zwischen Wahrheitssuche und Hetzjagd» stand. Unter der Gesprächsleitung der ehemaligen «Tages-Anzeiger»-Chefredaktorin Esther Girsberger diskutierten fünf prominente ehemalige und aktuelle Medienschaffende und ein Betroffener über Mechanismen und Auswirkungen dieser Art des modernen Prangers. Den Zeitpunkt hatte PR-Frau Doris Fiala nicht ganz zufällig gewählt: Am Tag darauf begann der Appellationsprozess gegen Guido Zäch. Der populäre ehemalige Chef der Paraplegikerstiftung sieht sich als vorverurteiltes mediales Opfers.
«Die Pendel der ansonsten zu braven Medien schlagen in Krisensituationen zu stark aus», sagte der Medienwissenschaftler Roger Blum zu einigen konketen Fällen. «Wie Hyänen aufs Aas» würden sie sich in solchen Momenten stürzen, meinte er. Problematisch sei aber vor allem, dass es später nicht zu einer adäquaten Korrektur des Überzeichneten komme. Peter Studer, ehemaliger Chefredaktor bei SF DRS und heute Präsident des Presserates, machte drei Grundströmungen des modernen Journalismus dafür mitverantwortlich: «Skandalisierung, Personalisierung, Moralisierung.» «Wir sind nicht Täter», wehrte sich dagegen Christoph Grenacher, Chefredaktor des «SonntagsBlicks», für die Rolle der Medienschaffenden. «Ich sehe mich als Wächter.» Carlo Jagmetti, ehemaliger Botschafter der Schweiz in den USA, war als einziger Betroffener anwesend. Durch eine Indiskretion war zur Hoch-Zeit der Holocaustdebatte in der Schweiz ein interner Bericht von ihm publik geworden, den die «SonntagsZeitung» als antisemitisch einstufte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als in Pension zu gehen. Als Opfer wollte er sich zwar nicht sehen. Eine tiefe Abscheu gegen die damalige Medienkampagne gegen ihn konnte er jedoch nicht verbergen.
Dienstag
18.10.2005