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Montag
04.07.2011

Einzelnen Medienindustriekonzernen mag es gut gehen. Der Journalismus als solcher steckt - nicht nur in der Schweiz - in der Krise. Der Markt spielt für die Journalisten nicht, sonst würde es sie noch geben, die ehemals zahlreichen Weltraum-, Wissenschafts-, Technologie- und Medizinjournalisten, um nur einige zu nennen. Martin Wagner, Medienanwalt und ehemaliger Verleger der «Basler Zeitung», erklärt im Klein Report, weshalb das ein Trugschluss ist:

Die sogenannte Selbstregulierung bedeutet in der Schweiz in Wahrheit einerseits Medienkonzentration und andererseits die Tendenz, dass sich reiche rechtsbürgerliche Kreise marode Medienunternehmen unter den Nagel reissen, um ihre politischen Ziele zu verfolgen. Die Selbstregulierung der Medien kann somit eine Gefahr für guten Journalismus bedeuten. Und es geht nun vordringlich wirklich nicht um das Überleben der Medien, sondern um die Rettung des Journalismus.

Die Sicherstellung einer freien Presse mit einem Journalismus, der sich zu den hohen ethischen Berufsrichtlinien bekennt, ist eine wichtige Pflicht des demokratischen Staates. Und diesbezüglich kann es keine Parteidisziplin geben, der Journalismus bildet die Basis unserer Demokratie, und dies geht uns alle an.

Weshalb daher die Berührungsängste gegenüber der direkten Medienförderung? Ein Blick ins Ausland zeigt uns Folgendes. Zahlreiche europäische Demokratien, vordringlich die nordischen Nationen, haben ein direktes Förderungssystem für kommerzielle Zeitungen, um wettbewerbsfähige lokale Medienmärkte und eine breite politische Meinungsbildung zu erhalten.

Im Jahre 2006 subventionierte Schweden beispielsweise einzelne Medien mit insgesamt 65 Millionen Dollar. In Norwegen gibt es mit dem gleichen Zweck ein direktes Medienförderungssystem für sogenannte «Nummer-2-Zeitungen» und für Kleinstzeitungen in abgelegenen Gegenden. Das norwegische System unterstützt auch nationale Zeitungen mit vom Mainstream abweichenden, sehr kontroversen Positionen.

Natürlich kann das nordische System für die Schweiz keinen Massstab bilden, dennoch kann man daraus ersehen, dass die direkte Medienförderung weder die Pressefreiheit unterminiert noch die geförderten Medien zu Lakaien der Regierung macht. Im Gegenteil ist nachweisbar in diesen Ländern durch die direkte Medienförderung ein Anstieg der kontrovers argumentierenden Medien zu verzeichnen. Somit ist immerhin klar, dass staatliche Fördergelder bei den Journalisten keine Schüchternheit auslösen. Im Ergebnis ist auch erkennbar, dass ein direkt geförderter Journalismus mit dem Ziel, den Wettbewerb zu erhalten und eine möglichst grosse Anzahl verschiedener Meinungen zu veröffentlichen, zu einer lebhaften Medienkultur führt.

Gemäss der World Association of Newspapers haben die nordischen Länder den höchsten Grad an Zeitungslesern in der Welt. In Norwegen werden zum Beispiel täglich mehr als 625 Zeitungsexemplare pro 1000 Einwohner gedruckt. In den USA sind es im Vergleich dazu nur 225 Exemplare pro 1000 Einwohner. So viel also auch zur angeblichen Vernichtung der Zeitungsbranche durch das Internet mit Blick auf die Tatsache, dass Norwegen zu den Ländern mit den leistungsfähigsten Telekommunikationsnetzen gehört.

Bemerkenswert ist dann auch noch die Tatsache, dass Skandinavien zu den Regionen mit den höchsten Stimmbeteiligungsraten gehört. Schliesslich zeigt ein Blick in die Geschichte, wie entscheidend die direkte Medienförderung bei der Wiedereinführung der freien Presse in kollabierten Staaten war. Die Massnahmen der Generäle Eisenhower und MacArthur in Deutschland respektive Japan sind entsprechend repräsentativ.

Mit diesen Erkenntnissen aus dem Ausland sollten die unberechtigten Berührungsängste gegenüber der direkten Medienförderung rasch abbaubar sein, und es ist zu hoffen, dass sich der Bundesrat früher als geplant wieder mit dieser Thematik befasst.

Martin Wagner, Medienanwalt und Ex-Verleger «Basler Zeitung»