Content:

Mittwoch
20.02.2013

Wie stark beschäftigt sich die wissenschaftliche Forschung mit Medienethik? Wie reagieren Journalistinnen und Journalisten in 14 Ländern auf Kritik? Und wann reden Medien von Moral? Dies waren Themen auf der Medienethiktagung in München. Für den Klein Report berichtet Roger Blum.

Alle Jahre im Februar treffen sich die deutschsprachigen Medienethikforscher in München, jetzt schon zum 17. Mal. Gastgeber ist traditionell Professor Rüdiger Funiok von der Hochschule für Philosophie, einer der Pioniere der Publikationen über Medienethik im deutschen Sprachraum. Anwesend war auch ein anderer Pionier, Wolfgang Wunden, der beim Süddeutschen Rundfunk gewirkt und bereits in den Achtzigerjahren Bücher über Medienethik veröffentlicht hatte.

Professorin Larissa Krainer, Medienethikerin am Institut für Interventionsforschung und kulturelle Nachhaltigkeit der Universität Klagenfurt, besichtigte die wissenschaftliche Forschung zur Medienethik seit dem Jahr 2000 und kam zum Schluss, dass das Thema vor allem in den Fachzeitschriften wenig vertreten ist. In den Sammelbänden kamen am Anfang die Praktiker stärker zum Zuge als heute. In der ersten Phase sei vor allem der Journalismus thematisiert worden, später immer mehr auch die Public Relations und die Werbung. Was fehle, sei eine übergreifende Systematisierung. Nötig sei ein gemeinsames, koordiniertes, transdisziplinäres Forschen, bilanzierte Krainer.

Das Forschungsprojekt «MediaAcT» untersucht Media Accountability and Transparency, also die Rechenschaft, Selbstverpflichtung, Selbstregulierung und Transparenz der Medien in 14 Ländern. In den drei deutschsprachigen Ländern liegt die Verantwortung für das Projekt bei den Universitäten Dortmund (Professorin Susanne Fengler), Lugano (Professor Stephan Russ-Mohl) und dem Medienhaus Wien (Professor Matthias Karmasin). Das Projekt wird im Juni 2013 abgeschlossen.

Bemerkenswert an der Länderauswahl ist, dass nicht nur westeuropäische Länder einbezogen sind, darunter neben Deutschland, Österreich und der Schweiz natürlich auch Frankreich, Italien und Grossbritannien, sondern auch osteuropäische wie Ungarn, Polen, Rumänien und Estland oder arabische wie Jordanien und Tunesien. Journalistinnen und Journalisten in diesen Ländern wurden unter anderem zur Selbstregulierung befragt, 1762 antworteten.

In München referierten Russ-Mohl und Tobias Eberwein (Universität Dortmund) auch darüber, von wem Journalisten Kritik empfangen. Die Kollegenkritik, so Eberwein, sei fast durchwegs bedeutend wichtiger als die Publikumskritik. Einen besonders hohen Stellenwert habe die Kritik des Publikums in Finnland und in den arabischen Ländern. Die Presseräte wiederum hätten einen grösseren Einfluss als Ombudsleute und Medienjournalisten, am einflussreichsten seien die Presseräte in Finnland, Estland und der Schweiz. Der Einfluss von Onlineinstrumenten wie etwa Medienblogs sei eher bescheiden, Finnland und die arabischen Länder ausgenommen. Russ-Mohl zeigte auf, dass es ökonomische Überlegungen gibt, warum Verleger die Media-Accountability-Instrumente nicht einführen. Er nannte aber auch ökonomische Argumente, die dafür sprechen, gerade auf solche Selbstregulierungsinstrumente zu setzen.

Wann und in welchen Zusammenhängen sprechen Medien von Moral? Professor Hektor Haarkötter von der Macromedia Hochschule in München ging dieser Frage am Beispiel des grössten deutschen «popular paper» und des grössten «quality paper», der «Bild-Zeitung» und der «Süddeutschen Zeitung», nach. Im Boulevardblatt kamen Moralbegriffe im Beobachtungszeitraum 2250 mal, im Qualitätsblatt 5500 mal vor. Näher betrachtete Haarkötter die zeitlich jeweils letzten 300 Texte, die die Begriffe enthielten. Danach war in der «Süddeutschen» am meisten in den Ressorts Politik sowie Kultur und Medien von Moral die Rede, in der «Bild» in den Bereichen Unterhaltung und Sport. Im Zusammenhang mit dem Sport ging es meist um Kampfmoral und Mannschaftsmoral. Wenn in der «Süddeutschen» politische Vorgänge an der Moral gemessen wurden, wurde laut Haarkötter nie begründet, was mit Moral eigentlich gemeint war. Der überwiegende Teil der Moralvorstellungen komme in den unterhaltenden Bereichen vor, oft auch, um zu rechtfertigen, etwas «Unmoralisches» zu publizieren.