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Mittwoch
07.01.2009

Seit 1999 wird der Durchbruch des Digital Cinema prognostiziert. Trotzdem sind erst 17 von 550 Schweizer Kinosälen dafür ausgerüstet. Ein neues Finanzierungsmodell soll die Einführung der teuren Technik erleichtern. Doch es hat Haken. «Digitalprojektion in der Schweiz - Angebotsvielfalt gefährdet» titelt das «Ciné Bulletin» in seiner Januar-Ausgabe. Um die Anschaffung der digitalen Projektionsausrüstung zu erleichtern, böten Leasingfirmen den Kinos Knebelverträge an, schreibt das Branchenblatt.

Die Kinobetreiber müssten sich auf einen bestimmten Filmkatalog verpflichteten, heisst es in der Titelgeschichte - und zur Verschwiegenheit über den Vertragsinhalt. «Welche Verleiher Komplizen» dieser Leinwand-Beschlagnahmung seien, sei nicht klar, heisst es weiter, doch dürften es die grossen US-Studios sein, wird gemutmasst.

«Grundfalsch!», sagt Patrik Engler, Geschäftsführer des Birsfelder Kinoausrüsters Protronic AG, der 12 der 17 Schweizer Digital-Cinema-Ausrüstungen geliefert hat. Richtig daran sei nur, dass dieses Jahr in der Schweiz ein Finanzierungsmodell eingeführt wird, das von den sieben grossen US-Studios unterstützt wird, sagte Engler gegenüber der Nachrichtenagentur SDA. Im Modell «Virtual Print Fee» (VPF) finanzieren die Filmverleiher die neuen Ausrüstungen zu 75 Prozent, sodass der Kinobetreiber nur noch etwa 40 000 statt 160 000 Franken dafür bezahlt - etwa gleich viel wie für eine konventionelle 35-mm-Anlage. Über eine Laufzeit von sieben Jahren wird das Geld jährlich in Tranchen ausbezahlt.

Engler hält das VPF-Modell für fair, weil so diejenigen die Ausrüstung bezahlen, die am meisten davon profitieren, nämlich die Verleiher. Denn digitale Kopien - auf Harddisc oder in Zukunft über Hochgeschwindigkeitskabel - kosten nur einen Bruchteil des Preises von herkömmlichen 35-mm-Kopien, etwa 200 statt 1500 Franken. Die Kinobetreiber zeigen sich laut Engler interessiert: In den nächsten beiden Jahren würden etwa 50 weitere Kinosäle neu ausgerüstet.

Einen Haken hat die Sache dennoch: Das VPF-Modell verpflichtet die Kinos zu einer bestimmten Anzahl Filmstarts mit Produktionen der Major Studios. Bleiben sie darunter, müssen sie die Leasingfirma entschädigen. Es sei mit diesem Vertrag der international tätigen Leasingfirma XDC durchaus möglich, die erforderlichen Pflicht-Vorführungen innert zwei bis drei Jahren abzuleisten. Da im Vertrag ausserdem Service und Upgrading mit enthalten seien, müssten die Kinos nicht fürchten, dass ihre Anlagen technisch schnell veralten, lobt Engler.

Experten wie René Gerber von Procinema rechnen dennoch damit, dass ohne vernünftiges Fördermodell in der Schweiz bis zu 30 Prozent der Kinosäle schliessen müssen, weil sich deren Betreiber - zum Beispiel dörfliche Familienunternehmen - die Umrüstung nicht leisten können. Auch die Angebotsvielfalt dürfte stark leiden. Denn in der Schweiz sind nur 4 von 40 Verleihern US-Majors, wie Gerber gegenüber der SDA sagte. Das Bundesamt für Kultur (BAK) sei dringend aufgerufen, Vorkehrungen gegen Flurbereinigung und Angebotsverarmung zu treffen. Nicolas Bideau wird sich deshalb während der Solothurner Filmtage mit Branchenvertretern treffen.