Als kleiner aber interessanter Anlass an der Zürcher Screen-up hat sich eine Gesprächsrunde unter der Schirmherrschaft der Interessengemeinschaft der Elektronischen Medien unter dem Stichwort IGEM-Talk etabliert. Dieses Jahr war es der ehemalige «Facts»-Chefredaktor und heutige Ringier-TV-Programmleiter Hannes Britschgi, der als Gesprächsleiter einer hochkarätige Runde figurierte, in der hauptsächlich das neue Radio- und Fernseh-Gesetz besprochen wurde. Während SP-Präsident und AZ-Verlagsleiter Hans-Jürg Fehr und Verleger-Präsident Hans-Peter Lebrument das neue Regelwerk lobten, hatten sie vor allem die Werber und Fernsehveranstalter gegen sich. «Die Kunden orientieren sich weg von den Printmedien und hin zu den elektronischen Medien, der TV-Boom wird anhalten», sagte etwa Aegis-Media-Chef Andy Lehmann, der deshalb die verschiedenen Einschränkungen für die Werbung bedauerte: «Das Werbegeld geht dorthin, wo die Zuschauer hingehen.» Dass der Boom im TV anhält illustriert Lehmann so: «Vor ein paar Jahren wäre die Einführung einer Automarke nicht ohne Print möglich gewesen.» Publisuisse-CEO Martin Schneider machte auf die dramatisch veränderten makroökonomischen Gegebenheiten aufmerksam. Ein um 1% gesteigertes Bruttoinlandprodukt lasse sich heute nicht mehr direkt auf die Werbeinvestitionen umrechnen. «Es hat eine Entkoppelung stattgefunden», meinte Schneider. Deshalb ist auch eher verhalten optimisch, was den Steigerungsgrad der Fernsehbranche betrifft. Ein Einwurf von SP-Chef Fehr, Schweizer Radio (SR DRS) mit Werbung hätte keinen Einfluss auf den Radiomarkt, verneinten die meisten Teilnehmer und Schneider im besonderen klar: «Ich glaube, DRS 3 mit mehr Werbung, würde als Lokomotive den Gesamtmarkt beleben.» Applaus im Kinosaal.
So richtig kräftig aufregen mochte sich dann doch niemand über das RTVG, da die meisten Gesprächsteilnehmer überzeugt sind, dass das neue Gesetz bei seinem Inkrafttreten ein alter Zopf sein werde, nach sechjährigem politischen Hin-und-her. Bis zum Inkraftreten seien mit der Digitalisierung längst neue Tatsachen geschaffen worden. «Wir müssen versuchen, etwas zu produzieren, das staatlich nicht reglementiert ist, um zu den Werbegeldern zu kommen», formulierte es etwa CEO Filippo Leutenegger, dessen Jean Frey AG ja beim Internet-TV-Probelauf Swissregio-TV eine Fuss in der Tür hat. Während sich Christian Gartmann von der SevenOne Media für ein Gesetz mit längeren Zügeln einsetzte, sieht Michi Frank von der IP Multimedia einen «rasenden Bewegungsprozess» bei den digitalen Medien kommen und bat darum, solche natürlichen Prozesse nicht zu behindern. «Der Boom im Fernsehbereich wird anhalten», ist er überzeugt. Mit zarten 38 Jahren war er der jüngste in der (älteren) Herrenrunde und mit Sicherheit auch am nahsten am Marktgeschehen.
Dienstag
25.10.2005