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Mittwoch
30.11.2011

Dreiviertel der Schweizer Bevölkerung nutzt das Internet. Sie sorgt sich beim Zahlen mit Kreditkarten, bei politischen Meinungsäusserungen und um den Missbrauch persönlicher Daten. Die Onlineinhalte hingegen hält sie mehrheitlich für glaubwürdig. An eine digitale Demokratisierung glauben nur wenige Befragte, wie das von der Universität Zürich erstmals durchgeführte «World Internet Project Switzerland» belegt.

77 Prozent der Schweizer Bevölkerung ab 14 Jahren nutzt das Internet, fast alle davon surfen zu Hause. Bei der Arbeit verwenden 43 Prozent der Nutzer das Internet, das sind 56 Prozent der Schweizer Erwerbstätigen. 26 Prozent (20 Prozent der Schweizer Bevölkerung) sind auch unterwegs online und zwar vorwiegend mit Smartphones. «Der Schweizer Durchschnittsnutzer verwendet das Internet Eindreiviertel Stunden pro Tag», erklärt Studienleiter Michael Latzer vom Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich, unter dessen Leitung die Studie durchgeführt wurde.

Hoch ist der Anteil an so genannten Light Usern: So verweilen jeweils etwa die Hälfte der Frauen und der Generation 60+ fünf Stunden oder weniger pro Woche im Internet. Ein Gender-Gap zwischen Frauen und Männern ist gemäss Studie praktisch nicht festzustellen.

In der Schweiz hat sich eine medial vielfältige Nutzung des Internets etabliert. So dient es beispielsweise der digitalen Orientierung: 92 Prozent Prozent der Internetnutzer verwenden Suchmaschinen, 75 Prozent suchen Nachrichten, 73 Prozent fragen Onlinelexika ab und 68 Prozent suchen Gesundheitsinformationen.

66 Prozent der Schweizer Internetnutzer besuchen Videoportale, 54 Prozent hören Musik, 43 Prozent hören Radiosendungen. 37 Prozent schauen zeitversetzt Fernsehen, 35 Prozent sehen live fern und 33 Prozent spielen online.

78 Prozent der helvetischen Internetnutzer suchen Produktinformationen, 74 Prozent informieren sich zu Reisen, 65 Prozent vergleichen Preise und 63 Prozent kaufen sowie bezahlen online. Diese Anwendungen lassen sich unter dem Begriff des digitalen Wirtschaftens zusammenfassen.

Als digitales Sozialisieren gilt beispielsweise das E-Mail, was 96 Prozent der Onliner benutzen. Die Hälfte (54 Prozent) ist Mitglied in sozialen Netzwerken - mehr in privaten (46 Prozent) als in beruflichen (23 Prozent). 43 Prozent verwenden Instant Messaging, 31 Prozent telefonieren im Internet und zehn Prozent bewegen sich in Kontaktbörsen.

59 Prozent der Internetnutzer laden Fotos hoch, 34 Prozent beteiligen sich in Diskussionsforen, 29 Prozent laden Musikvideos hoch und 14 Prozent eigene Videos. Diese Tätigkeiten lassen sich als digitale Kreation bezeichnen.

«Das Internet wird als Informationsquelle wichtiger eingeschätzt denn als Unterhaltungsquelle», so Michael Latzer. Aber bezogen auf die gesamte Schweizer Gesellschaft liege das Internet sowohl als Informations- als auch als Unterhaltungsquelle hinter den traditionellen Massenmedien. Für Internetnutzer ist jedoch das Internet als Informationsquelle gleich wichtig wie die anderen Medien Zeitung, Radio und TV. Aber auch Internetnutzer unterhalten sich lieber, indem sie TV schauen oder Radio hören.

Zumindest die Hälfte der Inhalte im Internet wird von Dreivierteln der Schweizer Bevölkerung als glaubwürdig taxiert. Dabei unterscheiden sie zwischen professionellen Angeboten und nutzergenerierten Inhalten: Während das meiste auf den Seiten der SRG und auf Seiten von Regierungen und Behörden als vertrauenswürdig gilt, ist es bei Social Media weniger als die Hälfte.

39 Prozent der Schweizer Bevölkerung sind beziehungsweise wären im Fall einer Kredit- oder Bankkartenverwendung im Internet sehr oder extrem besorgt. Weitere 33 Prozent wären etwas besorgt, nur zwölf Prozent sind es gar nicht.

29 Prozent der Internetnutzer haben das Gefühl, dass ihre persönlichen Daten missbräuchlich verwendet oder weitergegeben wurden. Sie befürchten weitaus mehr, dass ihr Internetverhalten von Unternehmen kontrolliert wird (43 Prozent) als von der Regierung (28 Prozent). Bei allen Fragen zur Besorgtheit steigen diese Sorgen mit dem Alter: In der älteren Generation ist der Anteil der Besorgten jeweils doppelt so hoch wie in der jüngeren Generation.

Die Studie hat auch gezeigt, dass Internetnutzer generell politisch aktiver sind als Nicht-Nutzer. Die politischen Aktivitäten im Internet sinken jedoch, wenn die Anforderungen an die politische Aktivität steigen. So wird das Internet beispielsweise mehr für die Informationssuche gebraucht als für politische Diskussionen. Nach wie vor diskutieren auch zwei Drittel der Onliner politische Themen ausschliesslich offline.

Dem Internet wird kein grosses Vertrauen entgegengebracht: Nur ein Fünftel (22 Prozent) der Schweizer Bevölkerung glaubt, dass es im Internet sicher ist zu sagen, was immer man über Politik denkt. Auch gibt es eine starke Skepsis hinsichtlich positiver Wirkungen des Interneteinsatzes auf die Demokratisierung: An eine digitale Demokratisierung glaubt nur eine kleine Minderheit in der Schweiz. Am ehesten (20 Prozent Zustimmung) wird angenommen, dass Politik besser verstanden werden kann. Nur elf Prozent glauben an mehr Mitsprache.

Weniger als die Hälfte der Bevölkerung ist der Auffassung, dass man seine Regierung im Internet frei kritisieren darf. 29 Prozent lehnen freie Kritik an der Regierung im Netz ab. 41 Prozent sprechen sich gegen die Äusserung extremer Meinungen im Netz aus. 31 Prozent finden es in Ordnung, wenn im Internet auch extreme Meinungen geäussert werden.

Das World Internet Project (WIP) ist eine vergleichende Langzeitstudie. Sie erfasst in mittlerweile 30 Ländern die Verbreitung und Nutzung des Internets im internationalen Vergleich und analysiert soziale, politische und ökonomische Implikationen der Netzentwicklung. Das WIP-CH-Projekt wird von der Abteilung Medienwandel & Innovation des Instituts für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich durchgeführt. Für das WIP-CH-Projekt wurde von gfs Zürich im Mai/Juni 2011 eine repräsentative telefonische Befragung von 1104 Personen ab 14 Jahren durchgeführt.