Ohne ausdrückliches Einverständnis des Gesprächspartners sind Medienschaffende nicht befugt, aus einem Telefongespräch nachträglich ein kurzes Interview zu konstruieren. Darauf weist der Presserat in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme hin. Im Juni 2004 hatte der «Baslerstab» prominent über Unstimmigkeiten mit einem Lehrer an einer Basler Schule berichtet. Der Lehrer habe mit verfehlten Aussagen («Ich bringe euch alle um», «Du Vollidiot», «Du bist pervers») Schüler verängstigt. Gespräche von Eltern mit dem Lehrer und den Behörden seien folgenlos geblieben. Der Lehrer unterrichte weiter.
Zusammen mit dem Artikel veröffentlichte die Zeitung ein kurzes Interview («3 Fragen an Lehrer X.Y.») sowie ein digital verfremdetes Pseudo-Phantombild. Die Schlagzeile des Aushangs lautete: «Ich bringe euch alle um: Lehrer darf weiter unterrichten.» Der Betroffene gelangte daraufhin mit einer Beschwerde an den Presserat und machte geltend, die Aussage «Ich bringe euch alle um» habe er so nie gemacht. Ebensowenig habe er seine Einwilligung zur Veröffentlichung eines Interviews gegeben. Titel und Aushang des Artikels verletzten ihn zusammen mit dem «Phantombild» zudem in seiner Menschenwürde. Der «Baslerstab» wies die Beschwerde als unbegründet zurück.
Der Presserat weist in seinen Erwägungen darauf hin, dass er hinsichtlich der umstrittenen Aussage nicht zu beurteilen vermöge, welche Version der Wahrheit entspreche. Ebenso sei die Menschenwürde des Lehrers durch die Publikation nicht verletzt worden, wenn auch die Kombination von Aushang, «Phantombild» und «Lehrer X.Y.» Bedenken wecke, weil der Bericht des «Baslerstabs» das Verhalten des Lehrers damit unterschwellig kriminellen Kategorien zugeordnet habe. Hingegen habe die Zeitung durch die Darstellung der «drei Fragen» bei der Leserschaft den falschen Eindruck erweckt, die Parteien hätten ein kurzes gestaltetes Interview vereinbart. - Die Stellungnahme im Wortlaut: http://www.presserat.ch/21350.htm
Dienstag
25.01.2005