Der Schweizer Presserat hat eine Beschwerde gegen die Boulevardzeitung «Blick» und gegen die «Mittelland Zeitung» gutgeheissen und die beiden Publikationen einer Verletzung der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» schuldig befunden. Die beiden Publikationen hatten in weitgehend identischen Berichterstattungen über ein Sexualdelikt an einer 16-jährigen Schülerin im Kanton Solothurn berichtet und dabei Täter und Opfer mit vollem Vornamen und Initial des Nachnamens genannt.
Mit der Publikation eines Fotos eines fiktiven schwarzen Jugendlichen habe der Blick überdies das Diskriminierungsverbot verletzt. Die «Mittelland Zeitung» hatte zusätzlich publik gemacht, dass der Täter Mitglied eines namentlich genannten Fussballclubs sei, was nicht nötig gewesen sei, da es mit dem Fall nichts zu tun habe. Die von den Zeitungen vorgebrachten Rechtfertigungsgründe für ihr Vorgehen seien unzutreffend, heisst es in der am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme.
Damit hat der Presserat einmal mehr seine strikte Haltung bei der Kenntlichmachung von Angeklagten und mutmasslichen Straftätern bestätigt. Die von der «Mittelland Zeitung» geltend gemachte Rechtfertigung durch den Hinweis auf den Fussballclub, dass damit auch entlastende Einzelheiten über den Täter zur Sprache kämen, «ist als scheinheilige Schutzbehauptung zu werten», heisst es deutlich in der Stellungnahme.
Das Verbot, die Namen zu nennen, habe «nichts mit Täterschutz zu tun», betont der Presserat weiter. Vielmehr sei die Justiz am Zug, und der Schutz der Öffentlichkeit vor diesem mutmasslichen Sexualtäter «liegt in den Händen der zuständigen Strafverfolgungsbehörden und hängt nicht davon ab, dass Medien den Namen des Angeschuldigten allgemein bekannt machen». Der Presserat vermutet, zudem, die «Mittelland Zeitung» gelüste es danach, «die Bestrafung von Tätern durch die öffentliche Prangerwirkung einer identifizierenden Medienberichterstattung noch zu verschärfen». Der Presserat wörtlich: «Das sind Tendenzen, denen sich der Presserat mit Entschiedenheit entgegenstellt. Nur schon, weil solche Medienkampagnen ausschliesslich der emotionalen Aufhetzung dienen und weder zur Prävention taugen, noch zur Aufklärung und Ahndung von Straftaten und erst recht nicht den Opfern zur Rehabilitierung und Heilung verhelfen.» - Die Stellungnahme im Wortlaut: http://www.presserat.ch/24510.htm
Dienstag
30.12.2008