Mehr als vier Millionen Menschen weltweit haben sich den Entwicklern zufolge bislang bei «Second Life» angemeldet, eineinhalb Millionen davon allein in den vergangenen zwei Monaten, wie das Medienportal Newsroom.de am Montag mitteilte. Tatsächlich offenbart sich allen eine Wunderwelt, die einen leistungsstarken Internetanschluss, einen schnellen Computer und das entsprechende Programm besitzen, das gratis im Netz heruntergeladen werden kann.
Mit klassischen Online-Spielen hat das virtuelle Universum wenig gemein: «Second Life ist ein Erlebnis mit komplett offenem Ausgang», erklärt Peter Gray von der kalifornischen Software-Schmiede Linden Lab, die das neue Universum vor vier Jahren erfunden hat. Die Bewohner der Online-Welt seien seinen Angaben nach im Durchschnitt 33 Jahre alt, etwa 40 Prozent der Nutzer sind Frauen. «Second Life» (Zweites Leben) mache es leicht, sich cool und sexy zu fühlen - unabhängig vom Dasein und Aussehen in der realen Welt. Der Nutzer betritt die dreidimensionale Szenerie als Computerfigur (Avatar) und kann sich nach eigenen Wünschen mit durchtrainiertem Körper, angesagter Frisur und schönem Schmuck ausstatten.
Ein virtuelles Schlaraffenland ist «Second Life» dennoch nicht: Zwar fühlt sich der Besucher zunächst als Entdecker und geniesst es, über wundersame Landschaften zu schweben. Doch der Boden der Tatsachen ist ein harter: «Second Life» ist eine florierende Marktwirtschaft, die zunehmend mit der realen Welt vernetzt wird. Wer sich ein neues Styling zulegen oder in einem virtuellen Häuschen leben möchte, muss zahlen. Und Linden-Dollar heisst die Währung, die Second Life zu einem aufgemotzten Monopoly fürs Internet werden lässt. Wer zu Geld kommen will, muss auch hier arbeiten. Alternativ kann das Konto in der realen Welt angezapft und gegen ein «Second Life»-Guthaben getauscht werden. Derzeit gibt es für einen US-Dollar 270 Linden-Dollar. Möglich ist auch, die Premium-Mitgliedschaft zu wählen, für die man monatlich Geld zahlt und dafür virtuelles Taschengeld erhält. Etwa 50 000 solcher Kunden hat Linden Lab derzeit nach eigenen Angaben.
Rund zwei Milliarden Linden-Dollars sind momentan im virtuellen Umlauf, erste selbst ernannte Millionäre gibt es schon: Die Deutsch-Chinesin Ailin Gräf verkündete Ende vergangenen Jahres, die virtuellen, von ihr selbst programmierten Grundstücke ihres «Second-Life»-Avatars Anshe Chung hätten mittlerweile einen Wert von einer Million US-Dollar. Auch andere machen lukrative Geschäfte: Über das Online-Auktionshaus eBay werden virtuelle Grundstücke, aber auch Autos und fertig ausstaffierte Avatare versteigert - zu mitunter recht deftigen Preisen.
Auch Konzerne wie IBM, Adidas und DaimlerChrysler betreiben in «Second Life» ihre Geschäfte. Sie hoffen, damit eine neue Marketingmaschine anzuwerfen. «Das ist etwa so wie Mitte der 90er-Jahre, als das Internet ins Rollen kam», sagt der Medienwirtschaftler Bernd Schmitz von der Rheinischen Fachhochschule Köln. «Viele haben Angst, noch mal den Zug zu verpassen.» Musikverlage präsentieren in «Second Life» Platten, Fernsehsender werben für ihr Programm, auch eine deutschsprachige Zeitung, den «Avastar», gibt es schon. Und selbst Politiker scheuen sich nicht, «Second Life» als Plattform zur Selbstdarstellung zu testen: Der französische Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy geht ebenso wie einige seiner Kollegen auch unter Avataren auf Stimmenfang. Bis Mitte des Jahres soll es sogar möglich werden, mit anderen Avataren zu sprechen.
Montag
12.03.2007