Die Dokumente sollten Präsident Bush endgültig als Drückeberger entlarven. Doch nun verdichten sich Indizien, dass sie so stümperhaft gefälscht wurden wie einstmals die Hitler-Tagebücher. Der Skandal um die vom US-Sender CBS präsentierten Nationalgarde-Akten lässt den Wahlkampf zur Farce verkommen. In Vergessenheit gerät, dass die Vorwürfe im Kern bestehen bleiben, so «Spiegel Online» am Freitag.
Der runzlige Star-Anchor des TV-Networks CBS, Dan Rather, 72, hat seine besten Zeiten hinter sich. Sein Bericht von der Ermordung John F. Kennedys, seine Wortduelle mit Richard Nixon, sein Treffen mit Fidel Castro: Jahre zurück liegt das ja alles. Rathers letzter Coup war ein Interview mit Saddam Hussein im März 2003. Doch auf diese Weise hätte es nicht enden sollen. Ein paar Blatt Papier, plump gefälscht, billig kopiert, schnell gefaxt. So banal geht sie zu Grunde, die Karriere einer journalistischen Institution. Zugleich beweist das Akten-Fiasko um US-Präsident George W. Bushs Vietnam-Ersatzdienst aber noch mehr: Der Wahlkampf ist vollends zur bitterbösen Farce verkommen.
Es klang wie der «Scoop» des Jahres: Authentische Dokumente, die belegen, was seit Jahren gemunkelt wird und seit Wochen wieder ein heisses Wahlkampfthema ist - Bush habe in den Siebzigerjahren einen Grossteil seines Dienstes in der US-Nationalgarde, der ihn vor dem Vietnamkrieg bewahrt hatte, geschwänzt.
Die vier getippten Seiten, die Rather vorige Woche im CBS-Nachrichtenmagazin «60 Minutes» präsentierte, schienen die Lücken der Geschichte zu stopfen. Datiert waren die offenbar diktierten Memos zwischen 4. Mai 1972 und 18. August 1973, unterschrieben von einem «Oberst Jerry Killian», Bushs damaligem, 1984 verstorbenem Schwadronskommandeur. Er habe Bushs Suspendierung befohlen, weil der die Pilotenprüfung versäumt habe, stand auf einem. Von oben werde darauf gedrängt, die Sache «zu vertuschen», auf einem anderen. Bush habe angefragt, wie er «um den Drill herumkommen» könnte, besagte ein weiteres.
Die Papiere seien von unabhängigen Experten für echt erklärt worden, triumphierte CBS zur besten Sendezeit: «Dies ist genau das, was das Weisse Haus zu vermeiden versucht hat.» Oder auch nicht. Denn inzwischen steht so gut wie fest, dass die CBS-Memos gefälscht sind - und schlampig obendrein. «Ich weiss, dass ich sie nicht getippt habe», sagt Killians Sekretärin Marian Carr Knox, 86, fügt jedoch schnell sibyllinisch hinzu: «Aber die Informationen darin sind korrekt.» Ja, sie erinnere sich genau, für Killian ähnlich lautende Memos zu Papier gebracht zu haben: «Dies sind absolut seine Gefühle.» Vielleicht habe jemand die Originale gesehen und versucht, sie «zu reproduzieren». Kurzum: Die Papiere seien falsch, aber wahr.
Freitag
17.09.2004