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Freitag
16.06.2006

Wer in einem Land mit ungewohnter Kultur geschäftlich aktiv wird, informiert sich mit Vorteil rechtzeitig über die Gepflogenheiten im Fall von Problemen. Bittere Erfahrung wegen Nichteinhaltung dieser Regel macht zurzeit der Schweizer Lift-Hersteller Schindler in Japan. Nach dem tödlichen Unfall eines Jugendlichen ist der Konzern stark unter Druck geraten, weil die öffentliche Entschuldigung zu lange hatte auf sich warten lassen. «Wir haben zu spät verstanden, dass in Japan eine Entschuldigung aus der Konzernzentrale erwartet wird», sagte der für den Konzernteil zuständige Manager Roland Hess im Interview in der Freitagsausgabe der «Neuen Luzerner Zeitung». «Wir mussten mit Beratern reden, die dieses Land und seine Gesetze kennen», was zu lange gedauert hatte.

Die unternehmerischen Folgen des Unfalls für Schindler sind noch nicht absehbar. Er habe aber gehört, dass «dieser oder jener Kunde seinen Auftrag stornieren will», sagte dazu Hess. «Wir haben ein riesiges Glaubwürdigkeitsproblem.» Am Montag hatten Hess und zwei weitere Schindler-Manager mit einer öffentlichen, tiefen Verbeugung in Tokio ihr Bedauern über den tödlichen Unfall eines 16-Jährigen ausgedrückt. Der Junge war ums Leben gekommen, als sich ein Aufzug beim Aussteigen bei noch geöffneten Türen plötzlich nach oben in Bewegung setzte und den Jungen einklemmte.

Er habe sich seit Montag «täglich irgendwo entschuldigt», sagte Konzernleitungsmitglied Hess. Das habe dazu geführt, dass «die Temperatur der Emotionen etwas gesunken» sei. Angesichts des medialen Drucks sei das Schindler-Management in Japan «seit Tagen mit Krisenlösungen» ausgelastet. «Einige arbeiten seit Tagen durch und schlafen eine halbe Stunde irgendwo in einem Büro.» Der Fall geht nicht spurlos an den Mitarbeitern vorbei. Sie seien erschüttert und es gebe Mitarbeiter, «die mit Selbstmord drohen». Sie fühlten sich geächtet, weil sie in einem Unternehmen arbeiten, das einen solchen Unfall hatte.

Dazu als Reminiszenz eine Erinnerung an den Absturz einer Swissair-Maschine vor Halifax: Weil die damalige Kommunikationschefin Bea Tschanz ein solches Ereignis ein Jahr vorher geübt hatte («Absturz in Bombay»), wussten alle Verantwortlichen sogleich, wie sie sich zu verhalten hatten. Die nationale Airline erlitt deshalb nicht nur keinen Imageschaden, sondern konnte sich im Gegenteil sogar positiv profilieren.