Die schwedische TV-Sendergruppe SBS Broadcasting hat Interesse an einem Einstieg ins deutsche Fernsehgeschäft. Damit würde die in der Schweiz als ehemaliger Tamedia-Partner (TV3) bekannte Sendergruppe zu einem der Hauptakteure bei der Konsolidierung des deutschen Musikfernsehgeschäfts, schrieb die «Financial Times Deutschland» am Dienstag. «Zurzeit findet auf dem deutschen Markt für Musikfernsehen eine Konsolidierung statt, die sich an dem Geschäftsmodell des Anbieters MTV orientiert», zitiert die FTD Markus Tellenbach, den Vorstandsvorsitzenden von SBS Broadcasting. «Durch den Wegfall des Programms vom TV-Sender Viva entsteht eine Lücke, die wir füllen könnten.» SBS könne sich auch vorstellen, beim Medienunternehmen ProSiebenSat.1 einzusteigen.
«Deutschland ist allein wegen der Grösse ein interessanter Markt mit nur noch einem Anbieter für Musikfernsehen. Da stellt sich die Frage eines Einstiegs», sagte Tellenbach. In Deutschland strahlt nur noch der US-Medienkonzern Viacom mit seinem Sender MTV Musikfernsehen aus, nachdem Viacom den Anbieter Viva im vergangenen Jahr übernommen hat. Kulturkritiker bemängeln, dadurch gehe die Programmvielfalt verloren. SBS sieht diese Situation auf dem Markt als Chance für einen Einstieg. «Der muss natürlich zu einem vernünftigen Preis möglich sein», sagte Tellenbach. Die Plätze im deutschen Kabelnetz sind hart umkämpft.
SBS ist bisher mit 16 Fernseh- und 53 Radiosendern in Skandinavien, den Benelux-Ländern und Osteuropa aktiv. Im Geschäftsjahr 2003 hat der Sender 580 Mio. Euro Umsatz gemacht und einen operativen Gewinn von 43 Mio. Euro erwirtschaftet. Das Unternehmen betreibt bereits in allen fünf skandinavischen Ländern eine nationale Version des Musikfernsehsenders The Voice, der Vorbild für einen Sender in Deutschland wäre. Einen konkreten Zeitplan wollte Tellenbach nicht nennen. «Wir sind aber bekannt dafür, dass wir schnell schiessen», sagte er.
Anders als bei MTV wird das Programm von The Voice auch in den kleinen Ländern komplett in der jeweiligen Landessprache produziert. Ausserdem ist der Anteil nationaler Musik relativ gross. Damit versucht SBS den Sender als nationalen Musiksender zu positionieren. «Bei The Voice kommen 25 bis 30% der Bands, deren Videos wir spielen, aus dem jeweiligen Land, und sie singen oft in ihrer Muttersprache», sagte Tellenbach. Zudem habe sich MTV mehr und mehr zu einem klassischen Unterhaltungssender gewandelt. «Programme wie die Doku-Soap über die Familie Osbourne oder Mutproben-Shows wie Jackass haben nichts mehr mit Musikfernsehen zu tun. Die Zuschauer wollen viel lokale Musik», sagte Tellenbach.
«Wir haben in Skandinavien bewiesen, dass unsere Rezeptur vom Publikum vorgezogen wird», sagte der Vorstandsvorsitzende. Bei der Gruppe der 12- bis 24-Jährigen habe SBS in Dänemark MTV bereits überholt und in den letzten Wochen des vorigen Jahres zeitweilig über 60% Marktanteil auf dem Markt für Musik-TV erreicht. In Dänemark startete der Sender The Voice sein Programm im Sommer 2004.
Tellenbach war in den 90er-Jahren Chef der deutschen Sender Vox, Premiere World und KirchPay TV. Seinen derzeitigen Arbeitgeber SBS sieht er auch als möglichen neuen Gesellschafter von ProSiebenSat.1. «Bei einer möglichen Änderung der Gesellschafterstruktur könnten wir eine Rolle spielen», sagte Tellenbach. Er erwartet eine Entscheidung über die Zukunft von der Sendergruppe im Laufe dieses Jahres. Mehr dazu: SBS Broadcasting auf Einkaufstour in Rumänien, SBS Broadcasting übernimmt CMore Group AB und Tellenbachs TV-Geschosse treffen voll ins Schwarze
Dienstag
15.03.2005