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Sonntag
21.09.2008

Was vor genau zwei Jahren mit Hausdurchsuchungen beim damaligen CEO von Aegis Media Zentraleuropa, Aleksander Ruzicka, öffentlich wurde, spitzt sich seit Januar als Werbethriller vor dem Landgericht Wiesbaden zu. Auch am Montag und Mittwoch möchte die Grosse Strafkammer klären, was mit den 51,2 Millionen Euro geschah, die Ruzicka bei Aegis Media veruntreut haben soll. Nachdem bereits ein Architekt, ein Steuerfahnder, ein Jagdveranstalter und ein Verkäufer für Jagdwaffen aussagten, sind weitere Zeugenaussagen vorgesehen. So zum Beispiel von einem Wiesbadener Cateringunternehmen.

Da Ruzickas Verteidiger Marcus Traut vergangene Woche erstmals für zwei Stunden in den Ermittlungsakt des Steuerstrafverfahrens gegen seinen Mandanten Einsicht nehmen durfte, rechnen Prozessbeobachter mit weiteren Beweisanträgen. Rechtsanwalt Traut beantragte bereits die Beiziehung dieser Akten. Aus diesen geht hervor, dass Ruzicka von Camaco in den Jahren 2002 bis 2005 Ausschüttungen in einstelliger Millionenhöhe erhalten hat.

Als Aleksander Ruzicka vor genau einem Jahr erstmals an die Öffentlichkeit ging, behauptete er, dass die zu seinen Firmen Camaco und Watson geflossenen Gelder immer zum Nutzen und Vorteil von Aegis Media eingesetzt worden wären. Beispielsweise um über vielschichtige Veranstaltungen, Einladungen, Events, Sommerfeste, Jagdevents in Ungarn und Südafrika, Yachtausflüge an der Cote d`Azur u.v.a. Kunden zu binden und zu gewinnen sowie um an Informationen aus dem sonst so verschwiegenen Markt der Medien und Mediaagenturen zu gelangen.

Zuletzt sagten Zeugen vor Gericht, Ruzicka habe mit seinen Gästen aus Medien, Werbewirtschaft, Politik und Prominenz beispielsweise beim Jagen eine Art grossen Kindergeburtstag veranstaltet. Die Gäste wurden so umsorgt, dass auch der schlechteste Schütze glücklich geworden sei, so ein Zeuge wörtlich.

Wie vorliegende Gästelisten und Bildmaterial belegen, waren auf diesen Events hochrangige Kundenvertreter von Aegis Media ebenso anwesend wie Prominente aus Showbusiness und Medien, aber auch Führungspersonen von Aegis plc. und Aegis Media quer durch Europa.

Inwieweit die Mediaagentur davon Kenntnis hatte, wer die opulente Kundenbetreuung und das Lobbying bezahlte, und vor allem woher das Geld dafür kam, werden hochrangige Zeugen des Unternehmens aussagen müssen. Aegis-Media-CEO Andreas Bölte sagte dem Gericht, dass über Ruzickas Firma Watson vier bis sechs solcher Events im Ausmass von insgesamt 200 000 Euro organisiert und abgerechnet wurden. Bölte ist erneut als Zeuge geladen.

Das Gericht versucht derzeit den ehemaligen CEO der Aegis plc, Doug Flynn, zu laden. Er soll Ruzicka in einem Gespräch im Jahr 2003 gemeinsam mit dem Mitangeklagten David Linn freie Hand beim Erreichen der Gewinnvorgaben gegeben haben. Beispielsweise durch das Kapitalisieren von Freispots über den Aufbau eines europaweiten Barternetzwerkes namens Emerson FF. Bereits am 29. September wird der heutige Global CEO von Aegis Media, Jerry Buhlmann, im Ruzicka-Prozess aussagen.

Welche Personen, die bis heute bei Aegis Media agieren, in die damaligen Vorgänge involviert waren und ebenfalls Vorteile daraus gezogen haben könnten, wird der Prozessverlauf zeigen. Bis zum 20. Oktober geht das Gericht jedoch zunächst drei Wochen in die Herbstferien. Aleksander Ruzicka sitzt dann seit genau zwei Jahren in U-Haft. Da weder die Einlassung von Ruzicka noch das Einbringen jedes einzelnen der 86 angeklagten Buchungsvorgänge terminiert sind, ist mit einem Urteil in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen.