Knalleffekt im Prozess gegen Aleksander Ruzicka: Die für Montag angesetzte und mit Hochspannung erwartete Aussage von Aegis-Media-Global-CEO Jerry Buhlmann (48) ist kurzfristig geplatzt. Buhlmann hätte per Videoschaltung vom Vorsitzenden Richter Jürgen Bonk als Zeuge vernommen werden sollen und er hätte sich den Fragen von Ruzickas Verteidiger Marcus Traut stellen müssen. Dem Vernehmen nach war Buhlmann nicht bereit, für seine Aussage in einem Londoner Gerichtsgebäude zu erscheinen.
Dort unterliegt die Aussage eines Auslandszeugen genauen Vorgaben: Demnach werden sowohl im Vernehmungszimmer, in dem sich der Zeuge befindet, als auch im Sitzungssaal Bildschirme und Kameras installiert. Während eine Kamera Gesicht und Oberkörper des Zeugen filmt, überwacht eine weitere Kamera das Vernehmungszimmer, um Beeinträchtigungen, etwa durch Hinweisgeber und sonstige Personen, auszuschliessen. Diese Übersichtsaufnahme wird per Bild-im-Bild-Technik auf den Bildschirmen im Sitzungssaal eingeblendet. Dort wird sichergestellt, dass die Videobilder sowohl durch das Gericht als auch durch Staatsanwaltschaft, Verteidigung samt Angeklagten und die Öffentlichkeit sichtbar sind. Schliesslich wird auf den Bildschirm im Vernehmungszimmer das Bild von Kopf und Oberkörper des jeweils Fragenden projiziert. Da die Gerichtssprache deutsch ist, ist zudem ein beeideter Dolmetscher erforderlich.
Jerry Buhlmann habe stattdessen darauf bestanden, aus einem Konferenzraum im Headquarter von Aegis Media in der Londoner Parker Street in das Wiesbadener Landgericht zugeschaltet zu werden. Dies sei bei einer amtlichen Zeugenvernehmung jedoch nicht üblich, da die obigen Vorgaben nicht überwacht werden können. Auch alle Zeugen, die bisher im Ruzicka-Prozess per Videokonferenz ausgesagt haben, sassen in einem Gericht an ihrem Wohnort. Buhlmann war zudem nicht bereit, für seine Aussage zeitnah nach Wiesbaden zu kommen. Erstaunlich, da in Wiesbaden auch das Headquarter von Aegis Media für Zentraleuropa und Südafrika ansässig ist.
Buhlmann hat seit Jahresmitte die Position des Global CEO bei Aegis Media inne. Zuvor war er gemeinsam mit Aleksander Ruzicka für die Region Emea, Europe, Middle East and Africa, zuständig gewesen. Der sitzt seit fast zwei Jahren in U-Haft. Ihm wird Untreue vorgeworfen. Aegis Media behauptet einen Schaden in Höhe von 51,2 Millionen Euro erlitten zu haben. Daher kommt der Aussage von Buhlmann für die Wahrheitsfindung und Sachaufklärung grosse Bedeutung zu.
Der Ruzicka-Prozess ist bis zum 20. Oktober unterbrochen. Da Gericht und Verteidigung an einer Aussage von Jerry Buhlmann festhalten, könnte er erneut formell nach Wiesbaden geladen werden. Das Europäische Rechtshilfeübereinkommen (EuRhÜbk) regelt auch die verbindliche Ladung von Zeugen zwischen Deutschland und Grossbritannien.
Sonntag
28.09.2008