Der deutsche Privatsender RTL stösst mit seiner Sendereihe «Erwachsen auf Probe» auf viel Kritik. Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur AP haben «über zehn Hersteller» ihre Werbespots im Umfeld der Sendung umgebucht. Und die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) ist zum Schluss gekommen, die Sendung sei «weder pädagogisch wertvoll noch pädagogisch begründet». Eine Menschenwürdeverletzung sei aber «nicht gegeben», weshalb diese Instanz keine Massnahmen ergreifen könne.
Der Branchendienst Kress hat die Einschaltquoten erhoben und kommt zum Schluss, «das ganze Tamtam» um die Möchtegern-Eltern habe sich «für den Sender nicht gelohnt»: Kaum jemand wolle die Sendung sehen. «Die dritte Folge verlor noch einmal 360 000 junge Zuschauer im Vergleich zur Vorwoche und landete mit 15,8 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe unter dem Senderschnitt», schreibt Kress am Donnerstag.
Laut AP hat eine Sprecherin des RTL-Werbezeitenvermarkters IP Deutschland Angaben des Vereins «Verantwortung für die Familie» bestätigt, wonach über zehn Kunden ihre zunächst geplanten Werbespots aus dem Umfeld der Sendung zurückgezogen hätten. Diese Organisation um die katholische Publizistin Christa Meves nennt in diesem Zusammenhang Ikea, GlaxoSmithKline, VHV Versicherungen, OBI, KarstadtQuelle Versicherungen, Boehringer Ingelheim, Storck, Söhnlein, Lidl, Danone, Nintendo.
Auf Nachfrage von AP habe beispielsweise Ikea-Sprecher Kai Hartmann die Sendung als «recht reisserische Darstellung» bezeichnet. Die jungen Leute würden darin vorgeführt, sagte er. «Es passt schlichtweg nicht zu den Ikea-Werten.» Der Süsswarenhersteller Storck hatte nach Angaben seines Sprechers Bernd Rössler einen Werbespot ausstrahlen lassen. Danach distanzierte er sich von der Sendung, wie er der AP sagte.
Kritisch geäussert hat sich auch der bayerische Medienminister Siegfried Schneider, der die Entscheidung der Markenartikelhersteller als «vorbildlich» bezeichnet hat. «Ich halte es für eine ausgesprochen verantwortungsvolle Entscheidung, wenn Unternehmen ihre Produkte nicht in Zusammenhang mit einer derart unsäglichen Sendung wie `Erwachsen auf Probe` sehen wollen. Sie bringen damit zum Ausdruck, dass eine pädagogisch fragwürdige Sendung dem Image ihrer Unternehmen abträglich ist», erklärte der Minister.
Eine Sprecherin des Werbezeitenvermarkters IP betonte, es handle sich nicht um Stornierungen von Werbespots, sondern um Umbuchungen. Die Gründe dafür würden der Firma nicht genannt. In den Sendern RTL, RTL II, Super RTL, Vox und n-tv liefen mehr als 700 000 Werbespots im Jahr. «Jeder Spot wird im Durchschnitt elf Mal umgebucht», sagte die Sprecherin.
In den acht Folgen von «Erwachsen auf Probe» werden Säuglinge und Kleinkinder von ihren Eltern getrennt und an Teenager ausgeliehen, die den Umgang mit Babys lernen wollen. Dies hat bei Verbänden und Politikern heftige Empörung ausgelöst.
Donnerstag
18.06.2009