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Sonntag
20.03.2016

TV / Radio

Tagesschau zeigt «Bundesrat à discrétion»

Tagesschau zeigt «Bundesrat à discrétion»

Harte Kritik an der «Tagesschau» des Schweizerischen Radio und Fernsehens (SRF): «Kulturtipp»-Redaktionsleiter Rolf Hürzeler findet es berechtigt, die SRG als «Staatsfernsehen» zu bezeichnen. Der Journalist hat vom 22. Februar bis 3. März die «Tagesschau» analysiert und ist so zu diesem Schluss gekommen.

Seine elftägige Recherche hat er in einem Artikel für das Konsumentenmagazin «Saldo» veröffentlicht. Sein Fazit: Bei der Nachrichtensendung handle es sich um eine «regierungsnahe Informationssendung, deren Journalisten geradezu an den Lippen von Behörden und politischen Entscheidungsträgern hängen», wie es in dem Artikel heisst. Häufig würden Informationen in den Beiträgen allein durch Interviews mit Behörden gewonnen. Laut Hürzeler ist dies «keine Ausnahme, sondern die Regel».

Als Beispiel nennt er einen Bericht der Sendung über die Überlastung von Schweizer Spitalärzten. Die «Tagesschau» habe zu dieser Thematik berichtet, dass im Kantonsspital Winterthur das Pflegepersonal deshalb bereits einzelne Aufgaben von den Ärzten übernehmen würde.

Im Beitrag kommen das Bundesamt für Gesundheit und die Ärzte zu Wort, schreibt der Journalist weiter. «Nur ging leider vergessen, die Patienten zu fragen, was sie davon halten, dass ärztliche Dienste neu von schlechter ausgebildetem Personal übernommen werden», so Hürzeler.

Natürlich sei ihm auch klar, dass die «Tagesschau» nicht über die Kapazitäten verfüge, für jeden Beitrag Leute auf der Strasse zu befragen, sagt der Redaktionsleiter gegenüber dem Klein Report auf Anfrage. «Bei einigen Themen ist es aber notwendig, auch Stimmen aus der Bevölkerung anzuhören.»

So zum Beispiel bei einem «Tagesschau»-Beitrag über Waffenexporte nach Saudi-Arabien und Katar, in dem Politiker der Pro- und Contra-Seite angehört werden, wie er in seinem Artikel weiter schreibt. «Anstelle von Politikern hätte man hier aber auch gewöhnliche Leute fragen können, ob sie es toll fänden, dass die Schweiz Waffen in ein kriegführendes Land wie Saudi-Arabien exportiere», so der Journalist.

Weiter kritisiert Hürzeler: «Im Einzelfall kann eine Meldung noch so unwichtig sein, die `Tagesschau` bringt sie an erster Stelle - sofern die Meldung aus Bundesbern kommt.» Als Beispiel nennt er den neuen Eisenbahntunnel zwischen Zürich und Aarau, mit dessen Baubeginn frühestens 2030 zu rechnen ist. «Manchmal erhält der Zuschauer den Eindruck, der Bundesrat bestimme den Inhalt der `Tagesschau` weitgehend selbst», zieht er kritisch Bilanz.

Am 25. Februar beispielsweise habe die «Tagesschau» vier Berichte gesendet, die sich alle um departementsspezifische Fragen der Bundesräte drehten - entsprechend seien diese auch zu Wort gekommen. Dabei ging es um den nationalen Flugverkehr, den Kauf von Militärflugzeugen, das Wachstum der Bildungskosten und die Zusammenarbeit der EU-Staaten bei Flüchtlingsfragen. «Nach dieser geballten Ladung Bundesbern spürt der gähnende Zuschauer ein grosses Verlangen, etwas aus dem richtigen Leben zu erfahren», so Hürzeler weiter.

Nur wenige Tage später habe es dann bereits wieder «Bundesrat à discrétion» gegeben. «Während der Session ist das ja okay, aber ansonsten finde ich es bedauernswert, dass alles, was aus dem Bundeshaus kommt, einfach aufgenommen wird», kommentiert Hürzeler seine Kritik an der «Tagesschau» gegenüber dem Klein Report. Dies sei ein Punkt, den man an der Nachrichtensendung definitiv rügen müsse. Zum Schluss will Hürzeler dann doch noch etwas Milde walten lassen: «Allerdings ist in den Sendungen stets ein redaktionelles Bemühen um politische Ausgewogenheit spürbar», so der Journalist.