In Frankreich ist ein Sturm der Entrüstung über eine Werbekampagne eines Mineralwasser-Herstellers ausgebrochen. Massenhaft Nitrate, Chlor und Blei seien im Leitungswasser, behauptet Marktführer Cristaline in grossformatigen Anzeigen. «Ich trinke kein Wasser, das ich benutze», heisst es frech neben dem Foto einer Toilette. Dazu muss man wissen, dass es in unserem westlichen Nachbarland gang und gäbe ist, zum Essen eine Karaffe mit Leitungswasser zu bestellen.
Selbst Umweltministerin Nelly Olin ist empört. «Leitungswasser wird systematisch kontrolliert, das ist Qualitätswasser», liess sie verlauten Die Cristaline-Kampagne sei «unredlich» und «eine Perversion». Während Olin juristische Schritte nicht ausschliesst, handelte der sozialistische Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë bereits und zog zusammen mit den städtischen Wasserbetrieben vor Gericht. In der Klage wird Cristaline ein Verstoss gegen die Bestimmungen zur vergleichenden Werbung vorgeworfen.
Hintergrund ist, dass die französische Mineralwasserbranche unter Druck ist. Nach Mengen ging der Verkauf von Flaschenwasser in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres um rund 2,6 Prozent zurück. Schon 2005 hatte es ein Absatzminus in derselben Grössenordnung gegeben. «Die Franzosen sträuben sich dagegen, 100 bis 300 Mal mehr für stilles Wasser zu zahlen, das dem aus dem Hahn verfügbaren ziemlich ähnlich ist», schrieb die Wirtschaftszeitung «La Tribune». Die Chefin der Pariser Wasserbetriebe, Anne Le Strat, schoss scharf gegen Cristaline. Der beziehe in seiner Abfüllanlage in Saint-Nazaire das Wasser aus derselben Quelle wie die dortigen Wasserbetriebe, sagte sie der Zeitung «20 Minutes»: «Das ist das Abfüllen von Leitungswasser in Flaschen.»
Anderseits versuchen kommunale Wasserbetriebe mit aufwändigen Werbekampagnen seit Jahren, ihre Kunden von der hohen Qualität des Leitungswassers zu überzeugen - oft auf Druck der Stadtverwaltungen, die das Abfallaufkommen durch die traditionell in Plastikflaschen abgefüllten Mineralwasser eindämmen wollen. So erklärten die Pariser Wasserbetriebe schon vor zwei Jahren Zweiflern, die sich mit dem Chlor-Beigeschmack des Leitungswassers nicht anfreunden konnten: «Es reicht, eine Karaffe für eine Stunde in den Kühlschrank zu stellen - und das Chlor ist verschwunden.» - «Wer vorgibt, dass Leitungswasser einen guten Geschmack hat, kann es nicht besonders oft trinken», kontert Cristaline in seiner seit knapp zwei Wochen laufenden Kampagne.
Montag
22.01.2007