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Freitag
24.02.2006

Vor den weissrussischen Präsidentschaftswahlen hat die Organisation Reporter ohne Grenzen (RoG) eine freie Berichterstattung sowie einen gleichberechtigten Zugang aller Präsidentschaftskandidaten zu den Medien verlangt. «Freie Information ist eine unabdingbare Voraussetzung für freie Wahlen», sagt Elke Schäfter, Geschäftsführerin von RoG. «Daher muss auch in Weissrussland die Regierung ihr Informationsmonopl aufgeben und unabhängige Berichterstattung zulassen.»

Die Wahlen finden am 19. März statt, und laut RoG spitzt sich die Lage der nicht-staatlichen Medien in Belarus weiter zu. «Während Radio und Fernsehen ohnehin in staatlicher Hand sind, knebelt Lukaschenko nun auch die verbliebenen unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften massiv», so Schäfter. «Publikationen wie die Narodna Volja finden keine inländischen Druckereien mehr und dürfen nicht mehr an Kiosken verkauft werden.» Gedruckt wird nun in Russland, doch häufig werden ganze Ausgaben an der Grenze beschlagnahmt. Gelangen dennoch Zeitungen ins Land, dürfen sie seit Januar dieses Jahres nicht mehr zugestellt werden. Zudem werden oppositionelle Zeitungen mit Verleumdungsklagen überzogen; mit den daraus resultierenden Schadenersatzzahlungen wird versucht, sie in den Ruin zu treiben. Wer dennoch kritisch und damit unliebsam berichtet, wird juristisch verfolgt, inhaftiert, verbannt oder zu Zwangsarbeit verpflichtet.

Die Lage der unabhängigen Medien machte auch Zhanna Litvina, Vorsitzende der weissrussischen Journalistenassoziation, in Berlin deutlich. «Die staatlichen Massenmedien sind Waffen im Propagandakampf. So erscheint die regierungstreue Zeitung `Sowjetskaja Belorussia` täglich mit 500 000 Exemplaren», berichtete Litvina. «Hingegen haben alle unabhängigen Publikation zusammen eine Auflage von 200 000 in der Woche.»

Ein Anfang Dezember 2005 erlassenes Gesetz erschwert die journalistische Arbeit in Weissrussland zusätzlich. So riskiert bis zu drei Jahren Haft, wer im In- oder Ausland den weissrussischen Staat oder dessen Regierung diskreditiert bzw. ausländischen Staaten «Falschinformationen» über die politische, wirtschaftliche oder militärische Situation zur Verfügung stellt. Zudem machen sich jene Journalisten strafbar, die ausländische Staaten und Organisationen auffordern, schädliche Massnahmen gegen Weissrussland zu ergreifen oder entsprechende Informationen zu verbreiten.

Mehrere Medienleute gelten als vermisst. Die Ermordung der «Solidarnost»-Journalistin Veronika Cherkasova (16. Oktober 2004) und des «Norodnaja Vola»-Journalisten Vassily Grodnikov (14. Dezember 2005) stehen unter dem Verdacht, politisch motiviert gewesen zu sein. Reporter ohne Grenzen und die weissrussische Journalistenassoziation haben mehrfach eine unabhängige Aufklärung dieser Fälle gefordert, was die Regierung jedoch verweigert.

Auch dem Internet, der bislang einzigen uneingeschränkten Quelle für unabhängige Informationen, drohen Restriktionen. In Internetcafés werden Pässe kontrolliert; der einzige Provider, die staatliche Beltelekom, blockiert immer wieder oppositionelle Seiten; am Wahltag 2004 waren mindestens 56 oppositionelle Seiten nicht zugänglich gewesen. Reporter ohne Grenzen zählt Lukaschenko zu den weltweit 15 grössten Feinden des Internets.