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Sonntag
27.11.2011

Er ist der Mann der Widersprüche unter den Reichen und Erfolgreichen der Schweiz, und zu seinem 60. Geburtstag leistete sich René Braginsky am Donnserstagabend im Landesmuseum in Zürich einen Widerspruch der ganz besonderen Art, nämlich ein Going Public mit seinem Allerprivatesten, seiner während Jahrzehnten geheim gehaltenen Sammlerleidenschaft für Judaica.

Braginsky ist Financier und Banker, Firmenjäger (Sulzer) und Renditejäger (sein 2009 lancierter Silber-Hedge-Funds war 2010 der drittbeste weltweit), Verleger («Tacheles») und Philanthrop. Doch nur ein kleiner, nur ein eingeweihter Kreis wusste bis vor Kurzem, dass er auch einer der bedeutendsten Kunstsammler, sprich: Sammler jüdischer Schriftkultur, ist.

Das Schweizerische Nationalmuseum zeigt diese als «Schöne Seiten, jüdische Schriftkulturen aus der Braginsky Collection» bis kommenden März und schliesst damit in einer sehr protestantischen Stadt einen Ausstellungszyklus ab, der sich bisher auf typisch jüdische Städte konzentrierte (Amsterdam, New York, Jerusalem).

Landesmuseum-Direktor Andeas Spillmann schwärmte an der Vernissage am Donnerstag, vom jungen Schweizer Starpianisten Teo Gheorghiu musikalisch umrahmt, von einer «wunderbaren Arbeitsgemeinschaft». Und Claudia Steinfels, noch bis heute Direktorin von Sotheby`s (nächste Berufsstation noch geheim!), enthüllte anhand eines König-David-Bildnisses, dass man mit (hebräischen) Buchstaben sogar zeichnen kann.

Braginsky, Enkel eines verschollenen ukrainischen Grossvaters und Sohn eines Flüchtlings, ist mit seinem Bruder der erste der Familie, der ein Leben in Frieden und Geborgenheit, in der Schweiz, führen durfte. Und mitunter dies hat ihn zum Sammeln gebracht: «Wer die Vergangenheit nicht kennt, hat es schwer, die Gegenwart zu bewältigen und sich auf die Zukunft einzustellen.»

Von der Zeit des Rütlischwurs, 1291, bis heute reichen die Kunstwerke, die Braginsky in den letzten drei Jahrzehnten zusammengetragen hat: Hebräische Manuskripte und Druckwerke (Handschriften, Bücher, Gebetsrollen und Hochzeitsverträge aus jüdischen Gemeinden in aller Welt), die heute einer der bedeutendsten Judaica-Sammlungen der Welt bilden und einen hübschen zweistelligen Millionenbetrag Wert sind.