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Donnerstag
22.12.2005

Ein Redaktor sollte nicht im eigenen Blatt journalistisch tätig sein und gleichzeitig Leserbriefe unter seinem Namen in der gleichen Publikation veröffentlichen - auch wenn er sich als Bürger zu einem politischen Sachverhalt äussert und von der Berichterstattung über einen Vorgang dispensiert ist. Zu diesem Schluss gelangt der Schweizer Presserat in einer am Donnerstag veröffentlichten Antwort auf eine entsprechende Beschwerde. «Der `Bote der Urschweiz` hat mit dem Abdruck des Textes eines Redaktionsmitglieds als Leserbrief die Unabhängigkeit der Journalistinnen und Journalisten und das Ansehen ihres Berufs beeinträchtigt (Ziffer 2 der Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen) sowie das Gebot der Trennung von beruflichen und privaten Funktionen (Richtlinie 2.4) verletzt», schreibt der Presserat und zeigt sich selbst erstaunt, «weil bei der Redaktion der Richtlinien niemand auf die Idee gekommen ist, dass eine Zeitung auf die Idee verfalle, den Text eines Redaktionsmitglieds als Leserbrief zu veröffentlichen».

Wenn schon, wäre es doch naheliegend gewesen, den Text als redaktionellen Beitrag zu publizieren. Dies wäre berufsethisch ohne weiteres möglich gewesen, sofern die weiteren vom Beschwerdeführer als verletzt geltend gemachten berufsethischen Bestimmungen (insbesondere der Anhörung bei schweren Vorwürfen) eingehalten worden wären. Jedenfalls sind für den Presserat keine Gründe ersichtlich, welche einen Ausstand zu diesem Thema hätten notwendig erscheinen lassen.